Newsletter Bau- und Vergaberecht 05/2022
24.02.2022 | Bau- und Vergaberecht
Anspruch auf Mangelbeseitigung vor der Abnahme
Im Bauvertrag ist ein Fertigstellungstermin vereinbart. Der Anspruch auf mangelfreie Herstellung wird dann erst zu diesem Zeitpunkt fällig und durchsetzbar. Wenn eine sofortige Mangelbeseitigung vor Abnahme geboten ist, kann der Anspruch auf Mangelbeseitigung und Schadensersatz begründet sein, wenn ansonsten das Bauvorhaben ernsthaft gestört ist. Schadensersatz statt der Leistung kann der Bauherr fordern, wenn durch die Weigerung des Auftragnehmers, die Arbeiten vorzunehmen, der gesamte Vertrag gefährdet ist und der Auftragnehmern damit gegen seine Leistungspflicht verstößt. Vor der Abnahme kann sich der Unternehmer grundsätzlich nicht auf eine Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung berufen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.06.2020 – 23 U 149/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 11.02.2021 – VII ZR 106/20).
Eignung für gewöhnlichen Verwendungszweck erforderlich
Ein Mangel liegt vor, wenn der Herstellungszweck nicht erreicht wird und das geschuldete Werk seine vorausgesetzte Funktion nicht erfüllen kann. Durch Auslegung ist zu ermitteln, welcher Zweck und welche Funktion vereinbart waren. Dabei sind auch die Erwartungen des Bestellers zu berücksichtigen. So darf der Erwerber von Biogasanlagenbehältern erwarten, dass die Behälter bei einem ordnungsgemäßen Betrieb während der Gewährleistungszeit die erforderliche Dichtigkeit aufweisen und sich keine Leckagen bilden. Das Risiko für die Verwendung bleibt beim Auftragnehmer. Wenn der Auftragnehmer für das Material keine Haftung übernehmen will, muss er einen Bedenkenhinweis geben oder die Gewährleistung beschränken (OLG Schleswig, Urteil vom 16.11.2021 – 7 U 185/19).
Hinweis auf Kampfmitteluntersuchung geschuldet
Bei der Planung eines Gebäudes ist der Architekt verpflichtet, die Frage der Kampfmittelüberprüfung anzusprechen und darauf hinzuweisen. Die Planungsleistung ist mangelhaft, wenn ein Kampfmittelverdacht hinsichtlich der mit einem Neubau überbauten Grundstücksflächen besteht (OLG Hamm, Urteil vom 18.05.2021 – 24 U 48/20).
Wesentliche Vertragsänderung bei Übertragung eines Rahmenvertrages bei Insolvenz
Der Auftragnehmer eines Rahmenvertrages ist insolvent. Ein anderes Unternehmen (Wirtschaftsteilnehmer) hat dann diejenigen Rechte und Pflichten des ursprünglichen Auftragnehmers übernommen, die sich aus einer mit dem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Rahmenvereinbarung ergeben. Es ist davon auszugehen, dass der nunmehrige Wirtschaftsteilnehmer im Sinne der einschlägigen Bestimmungen im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung teilweise an die Stelle des ursprünglichen Auftragnehmers getreten ist, Art. 72 Abs. 1 d Ziffer ii Richtlinie 214/24/EU (EuGH, Urteil vom 03.02.2022 – As. C-261/20).
Klare Verständlichkeit der Vergabeunterlagen erforderlich
Der Erklärungswert von Vergabeunterlagen ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen zu bestimmen. Es ist dabei auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter abzustellen. Für die Bieter muss eindeutig und unmissverständlich aus den Vergabeunterlagen hervorgehen, was von ihnen verlangt wird. Der Begriff Dienstleistungsauftrag führt dazu, dass ein verständiger Bieter von einem solchen Dienstleistungsauftrag ausgehen muss (OLG Schleswig, Beschluss vom 28.10.2021 – 54 Verg 5/21).
Keine Preisprüfung bei weniger als 20 %
Die Vergabestelle muss ungewöhnlich niedrige Angebote aufklären und die Preise prüfen. Dies ist der Fall, wenn der Preis oder die Kosten im Verhältnis zu den zu erbringenden Leistungen ungewöhnlich niedrig ist. Es stellt sich die Frage nach der Aufgreifschwelle, die die Vergabestelle zu einer Preisaufklärung veranlassen muss. Auch deutliche Preisabstände bei den Angeboten können darauf hindeuten. Es müssen Anhaltspunkte für eine Unauskömmlichkeit bestehen, was anzunehmen ist, wenn sich einzelne Angebote erheblich von anderen Angeboten oder Kostenschätzungen absetzen. Ein Abstand von 20 % legt eine solche Preisprüfung nahe (VK Bund, Beschluss vom 20.01.2022 – VK 2 – 135/21).