Newsletter Bau- und Vergaberecht 16/2022
19.05.2022 | Bau- und Vergaberecht
Unabhängig von der Leistungsbeschreibung muss eine Abdichtung dicht sein
Das Leistungsverzeichnis sieht eine Abdichtung der Außenwände gegen Bodenfeuchte und nicht stauendes Sickerwasser vor. Bei den gegebenen Bodenverhältnissen muss allerdings mit drückendem Wasser gerechnet werden. Das Leistungsverzeichnis sieht keine weitergehende Abdichtung vor. Der Einbau einer eventuell erforderlichen Dränage soll Bauherrenleistung sein.
In diesem Falle haftet der Fertighausanbieter, wenn er den Bauherrn nach Klärung der örtlichen Bodenverhältnisse nicht unmissverständlich auf die Notwendigkeit einer Dränage für das konkrete Bauvorhaben hinweist und auf die damit einhergehenden Risiken.
Allgemeine Hinweise in einem mehrseitigen Nachtrag zur Bau- und Leistungsbeschreibung sind dabei nicht ausreichend (OLG Köln, Urteil vom 02.03.2022 – 11 U 44/21).
Kein Anspruch auf Mängelbeseitigung bei fehlender Planung
Der Bauherr ist für die Ausführungsplanung verantwortlich. In diesem Falle muss er dem Generalunternehmer eine Mangelbeseitigungsplanung als verpflichtende Mitwirkungshandlung zur Verfügung stellen (OLG Nürnberg, Urteil vom 23.11.2021 – 6 U 4362/19).
Ohne ausdrückliche Vereinbarung Verbindlichkeit von Zwischenterminen
Die Parteien können die gesonderte Fälligkeit von Teilleistungen vereinbaren, die nicht am Ende der Vertragsdurchführung stehen, sondern einen Zwischenerfolg darstellen. Derartige Vereinbarungen können auch konkludent getroffen werden, wobei es nicht erforderlich ist, dass die Parteien kalendermäßig eine Frist oder einen Termin bestimmt haben. Wenn der Unternehmer die Teilleistung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht erbringt, kann der Bauherr nach § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrag zurücktreten oder ihn aus wichtigem Grund kündigen (Kammergericht, Urteil vom 26.04.2022 – 21 U 1030/20).
Baugrundgutachterwissen vor Architektenwissen
Leistungen eines Sonderfachmanns muss der Architekt auf Plausibilität überprüfen. Dies gilt insoweit als der Architekt die dafür erforderlichen Kenntnisse haben muss. Dies gilt nicht bei einem komplexen Bauprojekt für die Beurteilung der Lage und Tiefe von Bodenproben (Landgericht Flensburg, Urteil vom 01.04.2022 – 2 O 305/17).
Mindestanforderungen für Nebenangebot nicht nach den Vorgaben des Hauptangebots
In dem Hauptangebot sind bestimmte Vorgaben im Leistungsverzeichnis enthalten. In diesem Falle müssen die Mindestanforderungen für Nebenangebote dem nicht entsprechen. Dies ergibt sich daraus, dass eine Mehrzahl von Bietern, die sich am Vergabeverfahren beteiligten, Nebenangebote abgaben, die diesen Vorgaben nicht entsprachen. Wenn die Vergabestelle Nebenangebote zulässt, muss sie Mindestanforderungen festlegen, denen auch die Nebenangebote genügen müssen. Dadurch sollen solche Bieter geschützt werden, die Nebenangebote abgeben, damit sie nicht mit der Begründung abgewiesen werden können, sie seien gegenüber dem Hauptangebot minderwertig und wichen inakzeptabel ab.
Für eine nicht bestimmte und intransparente Gleichwertigkeitsanforderung zwischen Haupt– und Nebenangebot ist zum Schutz der Bieter kein Raum (OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.03.2022 – 11 Verg 10/21).
Geschäftsgeheimnis: Angebotsteile oder Dokumentation
Bieter haben Anspruch auf die Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen. Eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht, ist ein Geschäftsgeheimnis. Angebotsteile oder Teile der Dokumentation, die Rückschlüsse auf Angebotsinhalte ermöglichen, sind nicht unbedingt von der Akteneinsicht ausgenommen. Die Vergabekammer darf aber nicht ohne Anhörung der Betroffenen über eine Akteneinsicht insoweit entscheiden (VK Lüneburg, Beschluss vom 22.02.2022 – VgK – 3/2022).