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BGH aktuell: Neue Grundsatzentscheidung im Dieselskandal 2.0

27.06.2023 | Bank- und Prozessrecht

BGH, Urteil vom 26.06.2023 zu Az. VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22
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Wie in unserem letzten Newsletter erwähnt, verkündete der VIa Zivilsenat des BGH gestern die mit Spannung erwarteten Entscheidungen in drei Schadensersatzverfahren im Rahmen des „Diesel-Abgasskandals“. Neben der Volkswagen AG waren auch die Mercedes-Benz Group und die Audi AG, aufgrund des Vorwurfs der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen, in Anspruch genommen worden.

In allen drei Verfahren hob der Senat die Entscheidungen der Berufungsgerichte auf und verwies die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte mit der Begründung zurück, es bestehe hinsichtlich der Haftung der beklagten Fahrzeughersteller aus unerlaubter Handlung weiterer Aufklärungsbedarf.

Der BGH bestätigte – im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 21.03.2023 (Rs. C-100/21) – die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Anspruchs gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV zugunsten der Fahrzeugkäufer. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist damit nunmehr einfache Fahrlässigkeit des Fahrzeugherstellers für einen Schadensersatzanspruch ausreichend.

Nach Auffassung des BGH dürften die Fahrzeugkäufer darauf vertrauen, dass die ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung ihres Fahrzeugs, mit der die Übereinstimmung des Fahrzeugs mit den europäischen Zulassungsvoraussetzungen bestätigt wird, korrekt ist. Sollte in einem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung gem. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 impliziert sein, wofür die Fahrzeugkäufer die Darlegungs- du Beweislast tragen, wäre diese Übereinstimmungsbescheinigung fehlerhaft. In der Folge könnte die Betriebsbeschränkung oder -untersagung drohen. Nach Auffassung des BGH habe die jederzeitige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs Geldwert, weshalb dem Fahrzeugkäufer bei drohender Beschränkung der Verfügbarkeit des Fahrzeugs ein Schaden entstehe.

Die Begründung des Schadensersatzanspruchs setzt jedoch voraus, dass sich die Fahrzeughersteller nicht von jedem Verschulden entlasten können. In diesem Zusammenhang dürfte insbesondere die Prüfung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums des Herstellers relevant werden. Der BGH verweist hier auf die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung allgemein entwickelten Grundsätze.

Sind die Anspruchsvoraussetzungen gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV erfüllt, habe der Fahrzeugkäufer gegen den Hersteller Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens. Dieser betrage wenigstens 5% und höchstens 15% des gezahlten Kaufpreises. Die Festlegung der genauen Höhe des Schadensersatzes obliege der freien tatrichterlichen Würdigung. Ein Sachverständigengutachten zur Bestimmung der Schadenshöhe sei nicht erforderlich. Die Geltendmachung des großen Schadensersatzes ist damit über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV nicht möglich.

Ob das Urteil eine grundlegende Wende des Dieselskandals zugunsten der Fahrzeugkäufer bringt, darf bezweifelt werden. Denn sofern es den Fahrzeugkäufern nicht gelingt, eine unzulässige Abschalteinrichtung und damit die Fehlerhaftigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung nachzuweisen, bleibt diesen ein Anspruch weiterhin verwehrt. Die bloße Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und das Berufen auf einen Generalverdacht gegen die Fahrzeughersteller, reicht nicht aus.

Im Übrigen dürften die Dieselverfahren für Prozessvertreter, aufgrund der nunmehr wesentlich geringeren Streitwerte (maximal 15 % des Fahrzeugkaufpreises), deutlich an Attraktivität verlieren.

Benedict Böhme und Pascal Schäfer, Frankfurt am Main

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