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Newsletter Arbeitsrecht 02/2018

29.06.2018 | Arbeitsrecht

Die Themen:

  • Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts
  • BVerfG: Nur einmal ohne Grund befristen
  • EuGH: Zweimal Neues aus dem Urlaubsrecht
  • BAG: Rechtsprechungsänderung – Keine Pflicht zur Befolgung unbilliger Weisungen
  • BAG: Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag müssen auch vom Arbeitgeber eingehalten werden
  • BAG: Entgeltumwandlung ist mehr als bloßes Sparen
  • LAG Köln: Beton statt „Neues Jahr, neues Glück“ – Die unterlassene Zielvorgabe
  • ArbG Hagen: Kündigung – Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

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Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts

Bundeskabinett stimmt für neuen Rechtsanspruch auf Brückenteilzeit

I. Ausgangslage und Ziel
Arbeitszeit, die zum Leben passt – das ist ein wichtiges arbeits-, gleichstellungs- und familienpolitisches Anliegen der Bundesregierung. Bisher sah das Teilzeitrecht lediglich den Anspruch auf unbegrenzte Teilzeitarbeit vor – verbunden mit dem Risiko, dauerhaft in Teilzeit bleiben zu müssen. Der neue Gesetzentwurf bestimmt, dass das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) um einen Rechtsanspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeit ergänzt wird. Beschäftigte sollen in Teilzeit arbeiten, aber auch wieder zur ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit zurückkehren können.

Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in bestehenden Teilzeitarbeitsverhältnissen, die ihre Arbeitszeit wieder verlängern wollen, soll die Realisierung ihrer Wünsche erleichtert werden, indem die Darlegungs- und Beweislast in stärkerem Maße auf den Arbeitgeber übertragen wird.

Für Beschäftigte, die Arbeit auf Abruf leisten, soll mehr Sicherheit bezüglich Planung und Einkommen erzielt werden.

II. Voraussetzungen der Brückenteilzeit
Der Anspruch auf Brückenteilzeit ist nicht an einen bestimmten Grund – wie etwa die Kindererziehung oder die Pflege Angehöriger – geknüpft. Die Teilzeitphase muss ferner zwischen einem und fünf Jahren liegen.

Der Antrag ist beim Arbeitgeber in Textform zu stellen, um den der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer obliegenden Nachweis über das Teilzeitbeschäftigungsverhältnis sowie über die Anzeige eines etwaigen Verlängerungswunsches zu erleichtern.
Zudem gilt wie bisher im Teilzeitrecht, dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestehen muss. Die Teilzeit ist spätestens drei Monate vor Beginn zu beantragen. Derjenige Arbeitnehmer, der nach der Teilzeitphase seine Stunden erneut reduzieren will, ist dazu frühestens nach Ablauf eines Jahres berechtigt.

Um die Überforderung von Kleinstunternehmen zu verhindern, sind Betriebe mit bis zu 45 Beschäftigten von den neuen Regelungen ausgenommen. Für Arbeitgeber, die zwischen 46 und 200 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, gilt eine besondere Zumutbarkeitsgrenze. Die Arbeitgeber müssen den Anspruch auf Brückenteilzeit nur entsprechend der für ihren Betrieb maßgeblichen Quote gewähren.

Unabhängig von der Betriebsgröße und dem Umfang der Arbeitszeit wird der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, den Veränderungswunsch der Arbeitszeit mit dem Arbeitnehmer zu erörtern. Ergänzend können die Beschäftigten zur Unterstützung oder Vermittlung die Arbeitnehmervertretung hinzuziehen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung über angezeigte Arbeitszeitwünsche zu informieren.

Hinsichtlich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bereits in zeitlich nicht begrenzter Teilzeit arbeiten und mehr arbeiten möchten, hat der Arbeitgeber nach bisheriger Rechtslage bei der Besetzung freier Stellen Teilzeitkräfte nur zu berücksichtigen, wenn keine dringenden betrieblichen Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitbeschäftigter entgegenstehen. Hierfür trägt der Arbeitgeber bereits die Darlegungs- und Beweislast.

In Abgrenzung zur bisherigen Beweislastverteilung, soll der Arbeitgeber künftig auch darlegen und gegebenenfalls beweisen müssen, dass der Arbeitsplatz dem bisherigen nicht entspricht, nicht frei ist oder der Teilzeitbeschäftigte nicht mindestens gleichermaßen geeignet ist wie ein anderer bevorzugter Bewerber.

III. Neuerungen bei der Arbeit auf Abruf
Darüber hinaus soll die mögliche abrufbare Zusatzarbeit im Rahmen von der Arbeit auf Abruf beschränkt werden. Der Anteil der einseitig vom Arbeitgeber abrufbaren Arbeit darf künftig nicht mehr als 25 Prozent der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Bei Vereinbarung einer Höchstarbeitszeit beträgt das flexible Volumen entsprechend 20 Prozent der Arbeitszeit. Wenn die Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 – statt wie bisher 10 – Stunden als vereinbart.

IV. Unser Kommentar
Schon der mit den Regelungen zum Mindest- und Höchstzeitraum angestrebte Zweck der Planungssicherheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber dürfte schwerlich zu erreichen sein. Weder das Ausmaß der Reduzierung noch die Einführung einer Höchstfrist dürften zu einer ausschlaggebenden Steigerung der Planungssicherheit beitragen. Zielführender erscheint die Regelung, nach der eine erneute Reduzierung erst nach Ablauf eines Jahres verlangt werden kann. Insofern sind die Begrenzungen vornehmlich als Erleichterung der zeitlich befristeten Kompensation des Arbeitsanfalls durch andere Mitarbeiter seitens der Arbeitgeber zu werten.

Als Herausforderung aus Arbeitgebersicht wird sich der Umstand erweisen, dass eine Begrenzung des Anspruchs auf gesamtgesellschaftlich wertvolle Motive der Reduzierung wie Erziehung und Pflege nicht vorgesehen ist. Vielmehr soll die Brückenteilzeit auch rein freizeitlichen Aktivitäten zugutekommen. Dieses einseitige Zugeständnis führt zu einem weitreichenden Eingriffsvorbehalt zugunsten des Arbeitnehmers, dessen Ausmaß vor dem Hintergrund des Prinzips der Vertragstreue verwundern lässt.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Verlagerung der Beweislast auf die Arbeitgeberseite mit erhöhtem bürokratischem Aufwand verbunden ist, wenn dem Wunsch des Teilzeitbeschäftigten nicht in stärkerem Maße als bisher entsprochen werden soll.

Darüber hinaus ergeben sich auch aus der Erörterungspflicht notwendige Anpassungen, wie z.B. Nachweispflichten für den Arbeitgeber.

Schließlich können auch die Regelungen zur Arbeit auf Abruf nicht gänzlich überzeugen. Die Hochsetzung von 10 auf 20 Stunden erscheint willkürlich, da die Vermutung, dass die Arbeitnehmer im Zweifel eine Arbeitszeit von 20 Stunden bevorzugen, einer hinreichenden Grundlage entbehrt.

Obgleich den Arbeitgebern mit voraussichtlichem Inkrafttreten des Gesetzes ab dem 01.01.2019 einige neue Pflichten erwachsen, dürften sich die nachteiligen Auswirkungen insgesamt in Grenzen halten.

Denn das Recht auf befristete Teilzeit gilt nicht in allen Betrieben. Vor dem Hintergrund, dass in kleineren Betrieben Einschränkungen mittels Quotenregelung geplant sind, lässt sich aus dem Gesetzentwurf folgern, dass nur Teile der Arbeitnehmerschaft von dem neuen Gesetz profitieren werden.

Insgesamt spricht die Einbettung des Rückehrrechts in Vollzeit in das bestehende System des Teilzeitrechts dafür, dass den Beteiligten auf beiden Seiten die praktische Anwendung erleichtert und dadurch die Umsetzung und Durchsetzbarkeit begünstigt wird.

Annett Haberland, Rechtsanwältin, Braunschweig

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Nur einmal ohne Grund befristen

BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14

Der Fall
Der klagende Mitarbeiter begehrte die Entfristung seines Arbeitsvertrages. Er machte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend, die zuletzt vereinbarte sachgrundlose Befristung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG, weil er bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Gegen die bis zum Bundesarbeitsgericht abweisenden Entscheidungen seiner Klage erhob er Verfassungsbeschwerde.

Parallel entschied das Bundesverfassungsgericht über eine Vorlage des Arbeitsgerichts Braunschweig, das die Einschränkung der sachgrundlosen Befristung bei Zuvorbeschäftigung generell für verfassungswidrig hielt.

Die Entscheidung
Das BVerfG entschied im Sinne des Arbeitnehmers. Die Auslegung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine sachgrundlose Befristung nach drei Jahren ohne Beschäftigung erneut zulässig sei, überschreite die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung (hier: des Teilzeit- und Befristungsgesetzes). Es gelte deshalb grundsätzlich ein zeitlich unbefristetes Vorbeschäftigungsverbot.

Die parallele Vorlage des Arbeitsgerichts Braunschweigs verwarf das Bundesverfassungsgericht. § 14 Abs.2 S.2 TzBfG verstoße in seiner Auslegung nicht gegen Grundrechte. Das BVerfG stellte jedoch dabei fest, dass für sehr weit zurückliegende, sehr kurze oder ganz anders geartete Beschäftigungen eine Ausnahme zu machen sei. In diesen Fällen sei auch eine erneute sachgrundlose Befristung zulässig.

Unser Kommentar
Es hatte sich angekündigt. Als das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 06.04.2011 überraschend sachgrundlose Befristungen nach einer „Karenzzeit“ von drei Jahren Unterbrechung erneut zuließ, stieß diese Auslegung auf breite Kritik in Rechtsprechung und juristischer Literatur. In der Tat war sie nur schwer mit dem Wortlaut des Gesetzes und wohl gar nicht mit der Absicht des Gesetzgebers zu vereinbaren.

Diese Auslegung ist nunmehr Geschichte. Arbeitgeber werden sich darauf einstellen müssen, dass (erneut) jeder Mitarbeiter nur einmal sachgrundlos befristet eingestellt werden kann, ggf. mit bis zu dreimaliger Verlängerung innerhalb von zwei Jahren. Es bleibt zum einen der Ausweg einer anschließenden Befristung mit Sachgrund wie bspw. in Vertretungsfällen.

Das BVerfG lässt in seiner Entscheidung zum anderen ein weiteres („Rest-)Schlupfloch. Auch frühere gänzlich unwesentliche Beschäftigungen seien unschädlich. Es nennt als Beispiele Arbeitsverhältnisse während Schul-, Studien- oder Familienzeit oder „ganz anders geartete“ Beschäftigungen. Als Arbeitgeber sollte man sich auf solche klaren Fälle beschränken, um Befristungsrisiken zu vermeiden.

Die Entscheidung bindet die Arbeitsgerichte und findet damit auch für die Überprüfung bestehender sachgrundlose Befristungen Anwendung, bei denen eine schädliche Vorbeschäftigung vorliegt. Sie werden unwirksam.

Jedem Arbeitgeber ist deshalb dringend anzuraten, etwaige voraussichtlich unwirksame Befristungen zu identifizieren und eine Risikoanalyse zu betreiben. Ggf. kommt eine „Rettung“ der Befristung über einen parallel vorliegenden Sachgrund in Betracht. Alternativ ist eine vorbeugende Kündigung zu erwägen oder eine ablösende erneute Befristung mit ausreichendem Sachgrund.

Dr. Teemu Tietje, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bremen

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Zweimal Neues aus dem Urlaubsrecht

I. Urlaub auch ohne Antrag?

EuGH, Schlussantrag des Generalanwalts vom 29.05.2018 – C-619/16 und C-684/16

Der Fall
Gegenstand sind zwei Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dabei geht es um die Regelung in § 7 BUrlG, wonach der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss.

In dem ersten Fall klagte ein ehemaliger Rechtsreferendar. Dieser hatte in den letzten fünf Monaten seines Referendariats keinen Urlaub in Anspruch genommen. Er hatte mit der Beendigung des Referendariats die finanzielle Abgeltung des nicht genommenen Jahresurlaubs beantragt. Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass nach dem Bundesurlaubsgesetz der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub am Ende des Bezugszeitraumes erlischt, wenn der Arbeitnehmer innerhalb dieses Zeitraums keinen Urlaubsantrag gestellt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat den EuGH nunmehr befragt, ob das Unionsrecht einer solchen Rechtsvorschrift oder Gepflogenheit entgegensteht.

In dem zweiten Fall war ein Mitarbeiter über zehn Jahre aufgrund mehrerer befristeter Verträge beschäftigt gewesen, zuletzt bis zum 31.12.2013. Dieser Mitarbeiter erfuhr Ende Oktober 2013, dass sein Arbeitsvertrag nicht verlängert wird. Er wurde gleichzeitig von dem Arbeitgeber aufgefordert, vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub zu nehmen. Der Arbeitnehmer nahm noch zwei Tage Urlaub in Anspruch. Nach Beendigung des Arbeitsvertrages forderte er den Arbeitgeber auf, die nicht genommenen restlichen 51 Urlaubstage aus den letzten beiden Jahren finanziell abzugelten. Das Bundesarbeitsgericht hatte in dieser Angelegenheit entschieden, dass nach dem Bundesurlaubsgesetz der Arbeitnehmer den Urlaub vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht. Das Bundesarbeitsgericht hat den EuGH gefragt, ob das Unionsrecht einer solchen Regelung entgegensteht.

Die Entscheidung
Eine Entscheidung liegt noch nicht vor.

Allerdings hat der Generalanwalt Ende Mai die Schlussanträge gestellt. Aus diesen ist in der Regel erkennbar, wie diese Rechtsfrage vom EuGH beantwortet werden wird.

Nach der Auffassung des Generalanwalts hat ein Arbeitnehmer, der aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage gewesen ist, seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben, Anspruch auf eine finanzielle Vergütung.

Verzichtet der Arbeitnehmer aber aus freien Stücken auf den Urlaub, so hat er keinen Ausgleichsanspruch. Allerdings müsse der Arbeitgeber nach Auffassung des Generalanwalts nachweisen können, dass er geeignete Maßnahmen ergriffen hat, damit der Beschäftigte tatsächlich noch rechtzeitig den Urlaub nehmen kann. Dazu gehöre auch, dass der betreffende Mitarbeiter darüber informiert wird, dass die Ansprüche verfallen können. Der Arbeitgeber müsse den Urlaub aber nicht erzwingen.

In dem ersten Fall (Referendar) weist der Generalanwalt darauf hin, dass für den Fall, dass der Arbeitgeber es dem Referendar „ermöglicht“ hat, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben und dieser trotzdem seinen Urlaub nicht nehmen wollte, eine finanzielle Vergütung zu Recht verweigert wurde.

In dem zweiten Fall (Befristung) vertritt der Generalanwalt die Ansicht, dass dem Arbeitnehmer nicht ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Eine Mitteilung Ende Oktober sei wegen der kurzen Zeitspanne verspätet.

Unser Kommentar
Auch wenn es sich hier nur um Schlussanträge handelt, eine Entscheidung des EuGH also noch aussteht, ist davon auszugehen, dass der EuGH entsprechend dieser Anträge entscheiden wird.

Arbeitgeber werden damit in Zukunft in Bezug auf den Jahresurlaub ihrer Arbeitnehmer weitere Pflichten zu erfüllen haben. Sie sollten die Arbeitnehmer rechtzeitig (mindestens so weit im Voraus, dass der noch vorhandene Urlaub auch tatsächlich zeitlich bis zum Jahresende genommen werden kann) ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Urlaub zu beantragen ist und dass für den Fall des Fehlens eines solchen Antrags der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres verfällt.

Wenn der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder personenbedingten Gründen bis zum Ende des Jahres nicht genommen werden kann, greift auch weiterhin die Übertragungsregelung bis zum 31. März des Folgejahres, soweit sich kein längerer Übertragungszeitraum (z.B. aus Tarifvertrag) ergibt.

II. Urlaub vererbbar?

EuGH, Schlussantrag des Generalanwalts vom 29.05.2018 – C-569/16 und C-570/16

Der Fall
Zwei Klägerinnen hatten von den früheren Arbeitgebern ihrer im laufenden Arbeitsverhältnis verstorbenen Ehemänner eine finanzielle Abgeltung des Jahresurlaubs gefordert, den diese jeweils vor ihrem Tod nicht genommen hatten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) geht nach deutschem Recht ein Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers unter. Vererbbar ist nach der Rechtsprechung des BAG nur der Urlaubsabgeltungsanspruch, also ein bereits zum Zeitpunkt des Todes bestehender finanzieller Abgeltungsanspruch.

Der EuGH hatte allerdings bereits im Jahr 2014 festgestellt, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegenstehe, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergehe, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers ende.

Das BAG will durch die Vorlagefrage beantwortet haben, ob diese Rechtsprechung auch gelte, wenn nach dem einzelstaatlichen Recht ein finanzieller Ausgleich ausgeschlossen sei.

Die Entscheidung
Auch zu dieser Frage liegt eine Entscheidung noch nicht vor. Allerdings hat der Generalanwalt in diesen Rechtssachen ebenfalls die Schlussanträge gestellt. Hiernach geht der Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub auf die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers über. Eine unionsrechtskonforme Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften sei möglich.

Unser Kommentar
Es bleibt abzuwarten, wie der Gerichtshof sich zu den Vorlagefragen positioniert. Aufgrund der Schlussanträge des Generalanwalts ist aber davon auszugehen, dass in Zukunft mit dem Tod des Arbeitnehmers, der noch in einem Arbeitsverhältnis steht, der Urlaubsanspruch sich in einen vererbbaren Abgeltungsanspruch wandelt den der/die Erbe/n gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen können.

Julia Schönfeld, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Fachanwältin für Sozialrecht, Bremen

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Rechtsprechungsänderung – Keine Pflicht zur Befolgung unbilliger Weisungen

BAG, Urteil vom 18.10.2017 – 10 AZR 330/16

Der Fall
Der Kläger ist bei der Beklagten als Immobilienkaufmann in Dortmund beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält eine Versetzungsklausel, wonach dem Kläger andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeiten, ggf. unter Veränderung des Arbeitsortes, übertragen werden können.

Am Standort Dortmund war der Kläger mit einigen Kollegen in Konflikt geraten. Die Beklagte hat den Kläger daraufhin befristet für sechs Monate an den Standort Berlin versetzt. Zur Begründung führte sie aus, dass dadurch der Betriebsfrieden in Dortmund wieder hergestellt werden solle.

Der Kläger nahm die Arbeit in Berlin aber nicht auf. Nach zwei Abmahnungen wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Über die Wirksamkeit dieser Kündigung streiten die Parteien in einem anderen Rechtsstreit. Das Bundesarbeitsgericht hatte die Frage zu klären, ob die Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen waren, weil der Kläger zur Arbeitsaufnahme in Berlin nicht verpflichtet war.

Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hielt die Versetzung für unwirksam. Zwar sei die örtliche Versetzung von der Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag gedeckt und verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Allerding missachte die Versetzung die Grenzen des billigen Ermessens, weil die Beklagte die Interessen des Klägers nicht angemessen berücksichtigt habe. Auch sei nicht ersichtlich, dass und ggf. wie die nur vorübergehende Versetzung zu einer dauerhaften Lösung der Konflikte des Klägers mit den Dortmunder Kollegen führen sollte.

Das Bundesarbeitsgericht hat sodann entschieden, dass der Kläger nach §§ 106 S. 1 GewO, 315 BGB nicht – auch nicht vorläufig bis zur gerichtlichen Klärung – verpflichtet war, diese Arbeitsanweisung zu befolgen, da die Grenzen des billigen Ermessens missachtet worden seien. Die Verweigerung der Arbeitsaufnahme in Berlin stelle daher keine Pflichtverletzung dar. Die Abmahnungen waren zu entfernen.

Unser Kommentar
Nach der bisherigen Rechtsprechung waren Arbeitnehmer verpflichtet, auch solche Arbeitsanweisungen zu befolgen, die sie für unbillig gehalten haben. Dies galt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine gerichtlich angegriffene Weisung (vgl. BAG, Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858). Anderenfalls konnte der Arbeitgeber wegen Arbeitsverweigerung kündigen. Dabei kam es gerade nicht darauf an, ob die Weisung sich letztlich als verbindlich erweisen würde. Hieraus ergaben sich für den Arbeitgeber bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine gerichtlich angegriffene Weisung erhebliche tatsächliche und auch taktische Handlungsoptionen.

Dies gilt nun nicht mehr! Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2017 sind Arbeitnehmer nicht – auch nicht vorläufig – zur Befolgung unbilliger Weisungen verpflichtet. Sie können nun auf eigenes Risiko einschätzen, ob sie die Weisung für billig oder unbillig halten. Schätzen sie die Rechtlage richtig ein und verweigern die Befolgung einer unbilligen Weisung, kann eine hierauf gestützte Kündigung nicht wirksam sein. Schätzt ein Arbeitnehmer die Rechtslage hingegen falsch ein und missachtet eine billige Weisung seines Arbeitgebers, ist weiterhin eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Arbeitsverweigerung möglich. Immerhin.

Dr. Jennifer Rasche, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Hannover

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Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag müssen auch vom Arbeitgeber eingehalten werden

BAG, Urteil vom 07.06.2018 – 8 AZR 96/17

Der Fall
Die Klägerin betreibt ein Autohaus, in dem der Beklagte als Automobilverkäufer beschäftigt war. Der Arbeitsvertrag des Beklagten enthielt eine Ausschlussfrist, wonach Ansprüche des Arbeitsverhältnisses mit Ausnahme von Provisionsansprüchen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit verfallen, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht vorher durch die jeweilige Partei schriftlich gegenüber der anderen geltend gemacht worden sind.

Für den Fall des Verkaufs von Neufahrzeugen gab es für die Verkäufer des Autohauses die Anweisung, solche nicht auszuliefern, bevor der Käufer nicht vollständig bezahlt oder eine gesicherte Finanzierung für das Fahrzeug vorgelegt hat. Im September 2014 überließ der Beklagte einem Kunden einen Neuwagen, der lediglich eine Kaufpreisanzahlung geleistet und zugesichert hatte, dass er den Wagen nach dem Wochenende zurückbringen wird. Tatsächlich wurde das Fahrzeug nicht zurückgebracht. Die Klägerin reichte gegen den zuvor in Italien festgenommenen und sich noch immer im Besitz des Wagens befindlichen Kunden im August 2015 Klage beim LG Freiburg ein, die jedoch nicht zugestellt werden konnte.

Im November 2015 forderte die Klägerin den Beklagten erstmals schriftlich auf, seine Schadensersatzpflicht anzuerkennen und ein Schuldanerkenntnis abzugeben. Infolge reichte sie wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten Klage auf Schadensersatz gegen den Beklagten ein. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung
Die Revision beim Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Das BAG ließ die Frage, ob der Beklagte durch sein Handeln seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe, offen. Potentielle Ansprüche, die die Klägerin gegenüber dem Beklagten hätte geltend machen können, seien, so der 8. Senat des BAG, bereits durch die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist von drei Monaten verfallen. Nach Auffassung des Senats habe die Frist von drei Monaten spätestens zu laufen begonnen, als die Klägerin sich dazu entschied, Klage gegen den Kunden zu erheben, indes vor der Klageeinreichung im August 2015. Insoweit sei die zunächst außergerichtlich angestrebte Geltendmachung der Ansprüche im November 2015 verspätet gewesen. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht nach § 254 Abs. 2 BGB (Schadensminderungspflicht) oder § 241 Abs. 2 BGB (Rücksichtnahmepflichten). Die Klägerin habe nicht vorrangig zunächst den Kunden gerichtlich in Anspruch nehmen müssen. Im Zeitpunkt des Entschlusses zu der Klage hätte für die Klägerin erkennbar sein müssen, dass die gerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber dem Kunden nicht realistisch sei.

(Hinweis: Die Frage der Schrift- bzw. Textform wurde hier durch das BAG nicht thematisiert, da § 309 Nr. 13 BGB in seiner neuen Fassung nur auf Schuldverhältnisse anzuwenden ist, die nach dem 30.09.2016 entstanden sind.)

Unser Kommentar
Die vorliegende Entscheidung dürfte ein Weckruf für alle Arbeitgeber sein. Ausschlussfristen werden nicht selten in Arbeitsverträgen verwendet. Dass damit auch Arbeitgeber in der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber den Arbeitnehmern zeitlich begrenzt sind, gerät häufig in Vergessenheit. Daher appellieren wir an alle Arbeitgeber, die Fälligkeit von Ansprüchen sowie die Ausschlussfristen auch in der alltäglichen Arbeitspraxis regelmäßig konsequent im Blick zu behalten.

Cassandra Leenen, Rechtsanwältin, Bremen

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Entgeltumwandlung ist mehr als bloßes Sparen

BAG, Urteil vom 26.04.2018 – 3 AZR 586/16

Der Fall
Der klagende Arbeitnehmer schloss am 13. Mai 2001 mit dem nun beklagten Arbeitgeber eine Entgeltumwandlungsvereinbarung ab. Auf Basis dieser Vereinbarung zahlte der Arbeitgeber jährlich etwa 1.000 € (ursprünglich 2.000 DM) in eine vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers abgeschlossene Direktversicherung ein.

Der in finanzielle Schwierigkeiten geratene Arbeitnehmer erklärte selbst gegenüber der Versicherung die Kündigung des – seit 2009 ruhend gestellten – Vertrages. Die Nachfrage der Versicherung beim Arbeitgeber, ob dieser der Kündigung zustimme, verneinte dieser. Der Arbeitnehmer forderte von seinem Arbeitgeber, gegenüber der Versicherung die Kündigung des Direktversicherungsvertrages zu erklären und die Versicherungspolice im Original an ihn herauszugeben.

Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil hervorgehoben, dass die vorzeitige Kündigung einer Vereinbarung zur Entgeltumwandlung zur Tilgung von Verbindlichkeiten nicht mit deren Zwecksetzung in Übereinklang zu bringen ist. Denn Ziel und Zweck der betrieblichen Altersversorgung seien die notwendige Ergänzung der durch die Sozialversicherung gewährten Sicherung der Arbeitnehmer im Alter. Mit Hilfe der betrieblichen Altersvorsorge solle nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben der Lebensstandard des Arbeitnehmers zumindest teilweise gesichert werde, um das sinkende Rentenniveau abzufedern und Versorgungslücken zu vermeiden. Die Aufrechterhaltung der betrieblichen Altersversorgung, zu der auch die Entgeltumwandlung zählt, liege insoweit auch im Interesse des einzelnen Arbeitnehmers. Das Gericht hebt deutlich hervor, dass es der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers war, die vorzeitige anderweitige Verwendung der unverfallbaren Betriebsrentenanwartschaften zu verhindern.

Unser Kommentar
Mit seiner Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht deutlich das Ziel der betrieblichen Altersversorgung herausgestellt, nämlich die Gewährung einer Versorgungsleistung, die erst nach Eintritt des Versorgungsfalles durch den Begünstigten beansprucht werden kann und somit seiner vorherigen Disposition entzogen ist.

Dem finanziell notleidenden Arbeitnehmer bleibt insoweit nur die Ruhendstellung der laufenden Entgeltumwandlung. Der angesparte Kapitalstock darf vor Eintritt des Versorgungsfalles nicht angegriffen werden.

In Anbetracht des Betriebsrentenstärkungsgesetzes, welches mit Wirkung zum 01.01.2019 einen Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung (in Höhe von 15% des umgewandelten Entgelts) vorschreibt, wird die Attraktivität der Entgeltumwandlung (für die Arbeitnehmer) erhöht.

Es ist zu erwarten, dass künftig mehr Entgeltumwandlungsvereinbarungen abgeschlossen werden. Abzuwarten bleibt, ob damit auch eine entsprechende Steigerung derartiger Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern einhergehen wird.

Steffen Bock, Rechtsanwalt, Bremen

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Beton statt „Neues Jahr, neues Glück“ – Die unterlassene Zielvorgabe

LAG Köln, Urteil vom 26.01.2018 – 4 Sa 433/17

Der Fall
Mit seinem Bonusprogramm (Zielbonus 10.000,00 €) behielt sich der Arbeitgeber vor, Zielvorgaben von Zeit zu Zeit anzupassen und schriftlich mitzuteilen. Das tat er aber nicht. Der Arbeitnehmer klagte den Zielbonus erfolgreich ein.

Die Entscheidung
In einer richtungsweisenden Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2007 sahen die Parteien vor, dass (jährlich) Zielvereinbarungen getroffen werden. Wenn dies aber unterbleibt, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch. Dieser kann der Höhe nach reduziert sein, wenn den Arbeitnehmer ein Mitverschulden trifft, z. B. wenn es ihm als vertragliche Nebenpflicht oblag, Vorschläge zu Zielen zu machen.

Dies lag hier anders: Das Bonusprogramm sah keine Zielvereinbarung, sondern eine Zielvorgabe vor. Einseitige Zielvorgaben unterliegen als Leistungsbestimmung der Billigkeitskontrolle, die das Gericht auch dann auszuüben hat, wenn es an einer Zielvorgabe fehlt. Das LAG in Düsseldorf und der 5. Senat des LAG in Köln meinen, dass der Richter auch dann noch zu entscheiden hatte, wenn die Zielperiode bereits abgelaufen ist. Der 4. Senat des LAG Köln sieht das in der vorliegenden Entscheidung anders: Hat der Arbeitgeber keine Ziele vorgegeben, so hat das Gericht nicht „billige“ (also angemessene) Ziele durch Urteil zu bestimmen, sondern über einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers zu entscheiden. Der Fall der einseitigen, arbeitgeberseitigen, fehlenden Zielvorgabe sei genauso zu behandeln wie der Fall der zu Beginn vertraglich vorgesehenen, aber dann doch nicht getroffenen Zielvereinbarung. Das Fehlen der Zielvorgabe falle in die Sphäre des Arbeitgebers. Deswegen habe der Arbeitnehmer auch kein Mitverschulden, wenn ihm Ziele nicht vorgegeben werden. Nachfragen müsse er nicht.

Unser Kommentar
Das Urteil sucht eine rechtliche Lösung für eine tatsächlich (gerade in Trennungsfällen nicht untypische) praktische Konstellation: Müsste das Gericht bei unterlassener Zielvorgabe durch den Arbeitgeber im Nachhinein angemessene Ziele festlegen, würde der Richter unternehmerische Entscheidungen treffen. Unternehmerentscheidungen (siehe betriebsbedingte Kündigung) sind aber der gerichtlichen Prüfung grundsätzlich (bis auf Ausnahmefälle) entzogen. Das ist dem Grunde nach zu begrüßen: Das Gericht tritt hier nicht an die Stelle des Arbeitgebers.

Die Konsequenz ist dennoch hart: Gibt der Arbeitgeber kein(e) Ziel(e) vor, wird der Arbeitnehmer so behandelt, als habe er Ziele zu 100 % erreicht. Es kommt nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er etwa in den Vorjahren Ziele nicht erreicht hat (die häufigste Einwendung der Arbeitgeber). Denn gleichviel ob (zweiseitig) vereinbarte Ziele oder (einseitig) vorgegebene Ziele – so das LAG Köln – in Rede stehen: Der „verständige“ Arbeitgeber vereinbart bzw. gibt nur tatsächlich (bei vollem Einsatz) erreichbare Ziele vor. Der Arbeitnehmer soll in jeder Bonusperiode wieder die Chance haben, den vollen Bonusanspruch zu verdienen. Es gilt: „Neues Jahr, neues Glück“. Wie gut der Arbeitnehmer in der Vergangenheit abgeschnitten hat, ist unerheblich.

Empfehlung: Der Arbeitgeber muss sein Recht der Vorgabe der Ziele (Auffangklausel für den Fall, dass eine vertraglich vorgesehene Zielvereinbarung für eine Bonusperiode nicht zustande kommt) ausüben. Sonst wird der volle Bonusanspruch ohne Rücksicht auf den Zielerreichungsgrad in der Vergangenheit schwer wie Beton.

Dr. André Pietrek, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hannover

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Kündigung – Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

ArbG Hagen, Urteil vom 06.03.2018 – 5 Ca 1902/17

Der Fall
Die Arbeitgeberin schloss mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Dieser sah unter anderem das Angebot anderer Arbeitsplätze an die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer vor. Eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin lehnte das Änderungsangebot ab. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin beim Integrationsamt die Zustimmung zur Änderungskündigung. Anschließend unterrichtete sie Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung. Nachdem die Zustimmung des Integrationsamtes vorlag, wurde die ordentliche Änderungskündigung ausgesprochen. Die Arbeitnehmerin nahm das Angebot unter Vorbehalt an. Gleichzeitig erhob sie Änderungsschutzklage. Sie bestritt die ordnungsgemäße Anhörung der Schwerbehindertenvertretung. Ohne vorherige ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung müsse die Änderungskündigung nach § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX bzw. § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX n.F. als unwirksam angesehen werden.

Die Entscheidung
Der Klage wurde stattgegeben. Die Änderungskündigung ist wegen eines Verstoßes gegen § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX a.F. unwirksam. Der neu eingeführte § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX (jetzt § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX) bestimmt, dass die Kündigung eines Schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB IX ausspricht, unwirksam ist. Diese Folge tritt auch bei einer fehlerhaften Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ein. Vorliegend wurde das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Die Arbeitgeberin hat zunächst das Integrationsamt um Zustimmung nachgesucht. Erst dann wurde die Schwerbehindertenvertretung angehört. Hiermit hat sich die Arbeitgeberinnen nicht an die Vorschrift des § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX gehalten. Die Unterrichtung muss „unverzüglich und umfassend“ erfolgen. Dies erfordert, dass die Schwerbehindertenvertretung anzuhören ist, sobald der Arbeitgeber seinen Kündigungswillen gebildet hat. Die Beteiligung muss daher zu Beginn der betreffenden Maßnahme stehen. Die Zustimmung des Integrationsamtes darf erst danach beantragt werden. Wenn der Arbeitgeber den Antrag auf Zustimmung schon gestellt hat, ist seine Willensbildung abgeschlossen. In diesem Fall könnte die Schwerbehindertenvertretung nicht mehr an der Willensbildung mitwirken. Vielmehr kann sie nur noch darauf hinwirken, dass der Arbeitgeber eine bereits getroffene Entscheidung revidiert. Eine nachträgliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ändert hieran nichts.

Unser Kommentar
Die Entscheidung überzeugt. Schon aus Gründen der Vorsicht sollten Arbeitgeber dieser Auffassung folgen, auch wenn in der Literatur teilweise eine gegenteilige Auffassung vertreten wird. Bevor der Arbeitgeber den Kündigungswillen anderweitig manifestiert, muss er die Schwerbehindertenvertretung anhören. So ist in den Fällen, in denen eine Beteiligung des Integrationsamtes (noch) nicht erforderlich ist (Probezeitkündigung) zunächst die Schwerbehindertenvertretung und erst anschließend der Betriebsrat zu beteiligen (a.A. Rolfs in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Aufl., 2018, § 178 SGB IX Rz. 9 „gleichzeitig“). Noch ungeklärt im Zusammenhang mit dieser Unwirksamkeitsfolge ist die Frage, ob die Unwirksamkeit auch dann eintritt, wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung unbekannt war (so z.B. Thies in HWK, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, § 178 Rz. 9).

Insgesamt ist festzustellen, dass die Vorschrift des § 178 Abs. 2 SGB IX eine Vielzahl von Fallstricken und ungeklärten Rechtsfragen enthält.

Dr. Stefan Sasse, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Magdeburg

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Bevorstehende Veranstaltungen

16. August 2018: Mandanten-Veranstaltung: Arbeitsrecht.Infotainment.2018, 13:00 Uhr bis 17:30 Uhr, Hotel Courtyard Hannover Maschsee, Arthur-Menge-Ufer 3, 30169 Hannover, kostenlose Anmeldung unter Arbeitsrecht@goehmann.de.

3. November 2018: „Datenschutz aus arbeitsrechtlicher Sicht. Rechtsgrundlagen der Datenverarbeitung, Möglichkeiten der repressiven und präventiven Überwachung, Besonderheiten beim Datentransfer in Unternehmensgruppen“, Rechtsanwaltskammer Celle, 09:00 Uhr bis 12:45 Uhr, Anmeldung unter http://www.rak-seminare.de/mobileworker.php?action=info&ID=15598 (Dr. Gunnar Straube).

7. und 14. November 2018: „Neues Beschäftigtendatenschutzrecht – Umsetzung im Unternehmen, insbesondere in Betriebsvereinbarungen“, Online-Seminar der Deutschen Anwaltakademie in zwei Blöcken, 14.00 Uhr bis 16.45 Uhr, Anmeldung unter https://www.anwaltakademie.de/product/24001 und https://www.anwaltakademie.de/product/24111 (Dr. Gunnar Straube, Dr. Jennifer Rasche).

Aktuelle Veröffentlichungen

Anmerkung zu LAG Hamburg, Urteil vom 20.12.2017 – 6 Sa 72/17, Individualvertraglicher Verzicht auf Ansprüche aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung, ArbRAktuell 2018, 317 (Dr. Gunnar Straube)

Anmerkung zu LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2017 – 3 Sa 964/16, Dynamische Wirkung einer Verweisungsklausel, ArbRAktuell 2018, 230 (Dr. Jennifer Rasche)

Anmerkung zu LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.12.2017 – 7 Sa 321/17, Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung einer Lehrerin, öAT 2018, 108 (Dr. Jennifer Rasche)

Blog-Beitrag „Keine Pflicht zur Herausgabe der Handynummer an den Arbeitgeber?“, https://www.arbrb.de/blog/2018/05/23/kein-pflicht-zur-herausgabe-der-handynummer-an-den-arbeitgeber/ (Dr. Stefan Sasse)

Blog-Beitrag „Haben Sie schon einmal den Geburtstag eines Mitarbeiters vergessen?“, https://www.arbrb.de/blog/2018/04/25/haben-sie-schon-einmal-den-geburtstag-eines-mitarbeiters-vergessen/ (Dr. Stefan Sasse)

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