Newsletter Bank- und Prozessrecht Q1/2025

07.03.2025 | Bank- und Prozessrecht

Die Themen:

  • BGH: Entgeltregelungen für die Ablösung grundpfandrechtlich besicherter Darlehen sind unwirksam
  • EuGH: Banken können bei Intransparenz Zinsanspruch verlieren
  • BGH hält Angaben im Darlehensvertrag zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung für unzureichend
  • LG Frankfurt zur Autorisierung von Überweisungen im photoTAN-Verfahren: Keine Erstattungsansprüche des Verbrauchers bei TAN-Freigabe aufgrund Anrufs einer vermeintlichen Bankmitarbeiterin
  • BGH: Kein ewiges Widerrufsrecht für „Altverträge“
  • BGH: Keine Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung in Fernabsatzverträgen
  • BGH schränkt Verwahrentgelte ein – Negativzinsen auf Spareinlagen unzulässig

Aus anderen Rechtsgebieten:

  • LG Düsseldorf: Wann ist billig zu billig?

Entgeltregelungen für die Ablösung grundpfandrechtlich besicherter Darlehen sind unwirksam
BGH, Urteil vom 14.01.2025 zu Az.: XI ZR 35/24

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Mit Urteil vom 14. Januar 2025 (Az. XI ZR 35/24) hat der BGH entschieden, dass ein Kreditinstitut von einer anderen Bank oder Sparkasse für die Ablösung eines grundpfandrechtlich besicherten Darlehens keine gesonderten Entgelte verlangen darf. Entsprechende Entgeltklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, da sie eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen.

Die Klägerin, ein Kreditinstitut, hatte für die Ablösung zweier Darlehen, die durch Grundpfandrechte besichert waren, Entgelte an die beklagte Sparkasse entrichtet. Konkret wurden für die Bearbeitung des Ablösungsprozesses zwei Beträge in Höhe von EUR 200,00 sowie EUR 3.083,00 in Rechnung gestellt und von der Klägerin unter Vorbehalt gezahlt. Die Beklagte hatte die Entgelte im Rahmen einer Vielzahl von Treuhandaufträgen angesetzt, sodass es sich um eine standardisierte Praxis handelte. Die Klägerin forderte daraufhin die Rückerstattung der gezahlten Beträge mit der Begründung, dass die Entgelte unzulässig seien und eine unangemessene Benachteiligung darstellten.

Der XI. Zivilsenat stellte fest, dass die streitgegenständliche Entgeltregelung als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sei, da sie von der beklagten Sparkasse für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sei und das Entgelt entsprechend in einer Vielzahl von Fällen erhoben werde. Es komme gerade nicht darauf an, ob die beklagte Sparkasse beabsichtige, die Bedingung tatsächlich in allen Verträgen zu verwenden. Die richterliche Überprüfung erfolgte daher anhand der Maßstäbe des § 307 BGB zur Inhaltskontrolle von AGB. Die Entgeltklausel halte dieser Inhaltskontrolle nicht stand. Der BGH führte aus, dass die Sparkasse mit der Bearbeitung des Ablösungsprozesses lediglich ihren eigenen gesetzlichen Pflichten nachkomme. Insbesondere sei sie im Rahmen des Sicherheitenrückgewähranspruchs gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, nach vollständiger Darlehensrückführung die Sicherheiten freizugeben. Die hierfür erforderlichen Verwaltungshandlungen – einschließlich der Korrespondenz mit dem ablösenden Kreditinstitut – fielen somit in ihren eigenen Verantwortungsbereich und dürften nicht durch gesonderte Entgeltforderungen auf das neue Kreditinstitut verlagert werden. Eine derartige Entgeltklausel stelle daher eine unangemessene Benachteiligung dar, da sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweiche. Entsprechende Kosten dürften gemäß der gefestigten Rechtsprechung des BGH nicht auf Dritte abgewälzt werden, wenn sie der Erfüllung eigener gesetzlicher Pflichten dienten (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2020 – XI ZR 7/19).

Durch dieses Urteil wird die Position von Kreditinstituten gestärkt, die Darlehen anderer Banken oder Sparkassen ablösen. Diese sind nun vor der Erhebung unzulässiger Entgelte geschützt und können bereits gezahlte Beträge zurückfordern. Für Banken und Sparkassen bedeutet das Urteil, dass sie ihre Geschäftsbedingungen einer kritischen Prüfung unterziehen müssen. Insbesondere müssen Entgeltklauseln, die pauschale Bearbeitungsgebühren für Ablösungen vorsehen, aus den AGB entfernt werden, um Rückforderungsansprüche und potenzielle Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Kreditinstitute sollten prüfen, ob sie in der Vergangenheit entsprechende Entgelte gezahlt haben, und gegebenenfalls Rückforderungsansprüche geltend machen.

Larissa Normann, Frankfurt am Main

larissa.normann@goehmann.de

EuGH: Banken können bei Intransparenz Zinsanspruch verlieren
Urteil vom 13.02.2025, Az.: C-472/23

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Am 13. Februar 2025 entschied der EuGH, dass Banken, die bei Verbraucherkreditverträgen gegen ihre Informationspflichten verstoßen, ihren Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Zinsen und Kosten verlieren können. Dies gilt selbst dann, wenn die Schwere des Verstoßes und die Auswirkungen auf den Verbraucher je nach Einzelfall variieren.

Im zugrundeliegenden Fall schloss ein polnischer Verbraucher einen Darlehensvertrag in Höhe von 40.000 polnische Zloty (ca. 9.600 Euro) ab. Hinzu kamen weitere Kosten in Form von Zinsen und einer Provision von insgesamt ca. 25.000 Zloty. Der effektive Jahreszins betrug 11,18 %. Im Vertrag wurde durch Einbeziehung von „Entgeltinformationen“ festgelegt, dass die Bank Entgelttarife für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Kreditverwaltung oder der Änderung von Vertragsbestimmungen erhebt. Diese Tarife können demnach geändert werden, wenn bestimmte (mindestens eine) Bedingungen (z.B. Änderung der von der polnischen Nationalbank festgelegten Zinssätze, Änderung von Steuervorschriften, etc.) eintreten. Außerdem hatte die Bank Zinsen nicht nur auf den Nettodarlehensbetrag, sondern auf die Gesamtkosten des Kredits berechnet und erhoben. Wären die Zinsen nur auf den Nettodarlehensbetrag berechnet worden, wäre der effektive Jahreszins niedriger gewesen.

Der Verbraucher hat daraufhin seine Rechte aus dem Darlehensvertrag an das Inkassounternehmen Lexitor abgetreten. Lexitor klagte auf Rückerstattung der gezahlten Zinsen und Kosten und warf der Bank vor, einen zu hohen effektiven Jahreszins angegeben und zudem unklare Bedingungen für die Änderung von Entgelten festgelegt zu haben. Nach Ansicht von Lexitor habe die Bank bei Vertragsschluss damit gegen die gesetzlichen Vorschriften über die Informationspflicht sowie über den zu zahlenden Gesamtbetrag verstoßen.

Im Rahmen des Vorabentscheidungsgesuchs durch das polnische Gericht wollte dieses vom EuGH zum einen wissen, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. g und k der RL 2008/48 dahingehend auszulegen ist, dass eine Klausel eines Verbraucherkreditvertrages, nach der der Darlehensgeber Zinsen auf den gesamten Darlehensbetrag (Nettodarlehen + Kosten/Provisionen) erhalte, eine missbräuchliche Klausel im Sinne der Richtlinie darstelle. Zum anderen fragt sich das polnische Gericht im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 Buchst. k der RL 2008/48, ob es insoweit genügt, dass lediglich die Bedingungen, unter denen im Zusammenhang mit der Durchführung des Darlehensvertrages anfallenden Entgelte erhöht werden können, und bestimmte Mechanismen für solche Erhöhungen genannt werden. Und – soweit dies verneint wird – ob eine ungenügende Information einer fehlenden Information gleichgestellt werden kann und damit eine Sanktion gemäß Art. 23 der Richtlinie rechtfertigt.

Der EuGH stellte fest, dass der effektive Jahreszins zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses klar und prägnant angegeben werden muss. Die korrekte Angabe des effektiven Jahreszinses gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. g der RL ist dann laut EuGH erfüllt, wenn der angegebene effektive Jahreszins dem entspricht, der anhand der mathematischen Formel in Teil I des Anhangs I auf der Grundlage der „Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“, d.h. den Kosten, die der Verbraucher nach den Klauseln des Vertrags zu zahlen hat (auch solchen, bei denen sich in der Folge herausstellt, dass sie missbräuchlich sind), berechnet wird. Die Informationspflicht gemäß der Richtlinie ist also nicht bereits dadurch verletzt, dass sich der angegebene effektive Jahreszins als zu hoch erweist, weil in der Folge festgestellt wird, dass bestimmte Klauseln missbräuchlich sind und damit für den Verbraucher unverbindlich.

Zudem stellte der EuGH fest, dass die Bedingungen für Änderungen von Entgelten klar und verständlich benannt sein und in Verbindung mit anderen Angaben insbesondere frei von Unbestimmtheiten sein müssen, die objektiv geeignet wären, einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher in die Irre zu führen, sofern Ereignisse eintreten, die Änderungen auslösen können. Der Verbraucher muss anhand der Angaben beurteilen können, ob die Bedingungen eintreten und wie sie sich auf die Entgelte auswirken. Verweist der Vertrag auf Indikatoren, die für den Verbraucher sowohl bei Vertragsabschluss als auch während der Durchführung nur schwer überprüfbar sind, kann dies einen Informationspflichtverstoß darstellen, da der Verbraucher nicht in der Lage ist, den Umfang seiner Verpflichtungen zu überblicken. Im vorliegenden Fall waren dies variable Wirtschaftsfaktoren und bestimmte Indikatoren der rechtlichen Entwicklung im weiteren Sinne, die für einen Durchschnittsverbraucher nur schwerlich überprüfbar sind. Insofern wird das polnische Ausgangsgericht dies für diesen Einzelfall zu überprüfen haben.

Wird ein Verstoß festgestellt, kann die Bank ihren Anspruch auf die vereinbarten Zinsen und Kosten unabhängig von der konkreten Schwere des Verstoßes verlieren, sofern der Verstoß die Möglichkeit des Verbrauchers, den Umfang seiner Verpflichtungen zu bestimmen, beeinträchtigen kann. Der EuGH erachtet diese einheitliche Sanktion als europarechtskonform und zudem verhältnismäßig.

Jennifer Stuppy, Frankfurt am Main

jennifer.stuppy@goehmann.de

BGH hält Angaben im Darlehensvertrag zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung für unzureichend
BGH, Urteil vom 03.12.2024 zu Az.: XI ZR 75/23

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Die Parteien schlossen zwei Immobiliardarlehensverträge. Weil der Darlehensnehmer die Darlehen vorzeitig zurückzahlen wollte, zahlte er zunächst die von der Bank errechneten Vorfälligkeitsentschädigungen unter Vorbehalt und forderte diese später von der Bank zurück.

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass dem Darlehensnehmer ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen zustehe, weil die Angaben im Darlehensvertrag zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht den gesetzlichen Vorgaben genügen würden. Der BGH monierte insoweit die im Darlehensvertrag im Hinblick auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthaltene Formulierung „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“, welche den unzutreffenden Eindruck vermitteln würde, dass für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in zeitlicher Hinsicht nicht die Dauer der Zinsfestschreibung, sondern die Gesamtlaufzeit des Darlehensvertrages maßgeblich sei. Die nach Ansicht des BGH unzureichende Angabe im Darlehensvertrag führe gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB dazu, dass der Anspruch der Bank auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen sei und diese die erhaltenen Vorfälligkeitsentschädigungen daher an den Darlehensnehmer zurückzahlen müsse. Insoweit könne auch die Frage, ob die fehlerhafte Angabe eine hinreichende Schwere haben müsse, dahinstehen, da eine solche hier vorliege.

Das Urteil des BGH erscheint zweifelhaft, weil man die vom BGH monierte Angabe im Darlehensvertrag auch so hätte verstehen können, dass mit „Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens“ lediglich die Restlaufzeit der Sollzinsbindung gemeint ist. Zugleich verdeutlicht die Entscheidung aber auch, dass gerade bei den vertraglichen Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung besondere Sorgfalt geboten ist, da etwaige unzureichende Angaben zu einem vollständigen Ausschluss der Vorfälligkeitsentschädigung führen können.

Florian Stritzke, Frankfurt am Main

florian.stritzke@goehmann.de

 

LG Frankfurt zur Autorisierung von Überweisungen im photoTAN-Verfahren: Keine Erstattungsansprüche des Verbrauchers bei TAN-Freigabe aufgrund Anrufs einer vermeintlichen Bankmitarbeiterin
LG Frankfurt, Urteil vom 28.01.2025 zu Az.: 2-12 O 281/24

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Der Kläger machte Erstattungsansprüche gegen die Bank aufgrund von missbräuchlichen Abbuchungen auf seinem Girokonto geltend. Hintergrund dieser Abbuchungen war, dass der Kläger von einer vermeintlichen Bankmitarbeiterin angerufen wurde. Diese behauptete im Rahmen des Telefonats, dass es einen unautorisierten Zugriffsversuch auf seinem Konto gegeben habe und ein Dritter gerade versuchen würde, einen Geldbetrag von diesem Konto zu überweisen. Der Kläger erhielt sodann eine TAN-Anfrage als „Push-Nachricht“ auf seinem Smartphone, wobei die Anruferin behauptete, dass er durch die Freigabe der TAN die unberechtigte Überweisung „stornieren“ würde. Der Kläger gab sodann die von ihm erhaltene photoTAN frei. Durch diese TAN-Freigabe wurde die vorliegende Überweisung jedoch nicht storniert, sondern gerade veranlasst.

Das LG Frankfurt kommt zu dem Ergebnis, dass von einer Autorisierung der Überweisung durch den Kläger auszugehen sei, da dieser selbst die Überweisung durch die von ihm vorgenommene TAN-Freigabe ausgelöst habe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Erteilung der Autorisierung wegen Irrtums angefochten werden könne, stünde der Bank jedenfalls ein Schadensersatzanspruch aus § 122 BGB zu, welchen sie dem Kläger entgegenhalten könne. Davon abgesehen liege aber auch ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers vor, da dieser eine TAN auf telefonische Aufforderung eines Dritten freigegeben habe. Der Bank stehe daher auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB zu.

Das Urteil des LG Frankfurt verdient Zustimmung und liegt auf einer Linie mit zahlreichen OLG-Entscheidungen, welche in den letzten zwei Jahren zu vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen ergangen sind. Der vorliegende Fall macht deutlich, dass die Betrugsmaschen von Kriminellen in diesem Bereich immer perfider werden und daher besondere Vorsicht im Zusammenhang mit der Freigabe von photoTANs geboten ist.

Florian Stritzke, Frankfurt am Main

florian.stritzke@goehmann.de

Kein ewiges Widerrufsrecht für „Altverträge“
BGH, Urteil vom 28.01.2025 zu Az.: XI ZR 162/21

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Das OLG Braunschweig als Berufungsgericht hatte mit seiner klageabweisenden Entscheidung im Jahr 2021 die Wirksamkeit des Widerrufs aufgrund Verwirkung abgelehnt, nachdem die Rückzahlung eines Darlehens abgeschlossen im Jahr 2013 erst nach vollständiger Rückzahlung erfolgt war. Die Klageabweisung wurde nun durch den BGH bestätigt. Dabei stellt der BGH jedoch heraus, dass es auf die Frage der Verwirkung nicht ankomme, sondern ein Widerrufsrecht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH bereits erloschen gewesen sei.

Mit Urteil vom 21.12.2023 in den verbundenen Rechtssachen C-38/21, C-47/21 und C-232/21 hat der EuGH entschieden, dass das Widerrufsrecht eines Verbrauchers nach Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie mit vollständiger Erfüllung des Kreditvertrags erlischt. Mit seiner Entscheidung hat der BGH nun klargestellt, dass dies auch für Widerrufsrechte bezüglich Darlehensverträge gelte, die vor dem 13.06.2014 geschlossen wurden. Insoweit stehe der Wille des Gesetzgebers einer richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Regelung in § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB aF nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe kein von Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie unabhängiges „ewiges“ Widerrufsrecht gewähren wollen, was sich schon aus der seit 2010 gesetzlich normierten Möglichkeit der Nachholung von Pflichtangaben ergebe.

Damit hat der BGH im Einklang mit seiner Rechtsprechung zu „Neuverträgen“ auch die Tür für ein ewiges Widerrufsrecht bezüglich Darlehensverträge, die vor dem 13.06.2014 geschlossen wurden, zugeschlagen.

Matthias Heisack, Frankfurt am Main

matthias.heisack@goehmann.de

Fernabsatzverträge: Keine Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung
BGH, Beschluss vom 25.02.2025 zu Az.: VIII ZR 143/24

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Der BGH hat mit Beschluss vom 25. Februar 2025 (VIII ZR 143/24) eine wichtige Entscheidung zur Widerrufsbelehrung im Fernabsatz getroffen. Der Senat hatte zu entscheiden, ob ein Unternehmer, der bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern die Musterwiderrufsbelehrung nicht oder nicht vollständig verwendet, in der von ihm formulierten Widerrufsbelehrung neben seiner Postanschrift und seiner E-Mail-Adresse zusätzlich auch seine – hier auf dessen Internet-Seite zugängliche – Telefonnummer angeben muss.

Die Entscheidung hat eine wesentliche Auswirkung auf die Widerrufsfrist. Bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung beträgt die Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BGB 14 Tage ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher hingegen nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Frist nach § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB auf zwölf Monate und 14 Tage.

Der VIII. Zivilsenat entschied im konkreten Fall, dass die zusätzliche Angabe einer Telefonnummer nicht erforderlich sei. Die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU) verpflichte den Unternehmer dazu, jedem Verbraucher Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, über die dieser schnell mit dem Unternehmer in Kontakt treten und effizient mit ihm kommunizieren könne. Für eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme des Verbrauchers mit dem Unternehmer sei es nicht erforderlich, dass in der Widerrufsbelehrung – über die Post- und die E-Mail-Anschrift hinaus – auch eine Telefonnummer des Unternehmers angegeben werde. Durch die Angabe der E-Mail-Adresse sowie der Postanschrift, sei dem Verbraucher die Möglichkeiten eröffnet, schnell mit dem Unternehmer in Kontakt zu treten und effizient mit ihm zu kommunizieren. Andere Kommunikationswege, wie zum Beispiel ein Telefonat, seien nicht ausgeschlossen gewesen. Die Telefonnummer sei vielmehr auf der Internetseite des Unternehmers (im Impressum und unter „Kontakt“) ohne Weiteres verfügbar gewesen.

Der Senat ergänzte, dass selbst wenn die Telefonnummer als fehlend betrachtet werden würde, dies keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist habe, da dem Verbraucher die wesentlichen Informationen zur Ausübung seines Rechts zur Verfügung gestanden hätten.

Die Entscheidung bringt Klarheit für Unternehmer. Es muss sichergestellt werden, dass Verbrauchern geeignete Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen, um schnell und effizient mit dem Unternehmer in Kontakt treten zu können. Eine Telefonnummer ist in diesem Zusammenhang nicht zwingend erforderlich.

Pascal Schäfer, Frankfurt am Main

pascal.schaefer@goehmann.de

BGH schränkt Verwahrentgelte ein – Negativzinsen auf Spareinlagen unzulässig
BGH, Urteile vom 04.02.2025 zu Az.: XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23 und XI ZR 183/23

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Seit 2014 führte die Europäische Zentralbank (EZB) Strafzinsen für Banken ein, die übermäßige Einlagen bei ihr hielten. Um diese Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, führten viele Kreditinstitute Verwahrentgelte auf Einlagen ein. Erst mit der Abschaffung der Negativzinsen durch die EZB im Jahr 2022 endete diese Praxis weitgehend.

Der BGH hat am 4. Februar 2025 nun in vier Grundsatzurteilen (Az. XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23 und XI ZR 183/23) klargestellt, dass Kreditinstitute für Einlagen auf Spar- und Tagesgeldkonten keine Verwahrentgelte erheben dürfen. Bei Girokonten erachtete der BGH hingegen die Erhebung von Negativzinsen als grundsätzlich zulässig, sofern die entsprechenden Vertragsklauseln transparent sind.

Nach Auffassung des BGH verändert die Erhebung von Verwahrentgelten auf Spar- und Tagesgeldkonten deren rechtlichen und wirtschaftlichen Charakter grundlegend. Diese Einlagen dienten nicht allein der Verwahrung, sondern verfolgten auch Anlage- und Sparzwecke. Die auferlegten Negativzinsen seien daher unwirksam, da sie Verbraucher unangemessen benachteiligten (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Anders beurteilte der BGH die Zulässigkeit von Verwahrentgelten bei Girokonten. Die Verwahrung von Guthaben stelle hier eine Hauptleistungspflicht der Bank dar und entziehe sich somit einer rechtlichen Inhaltskontrolle. Daher dürfen Geldinstitute auf diese Einlagen grundsätzlich Negativzinsen erheben, sofern die entsprechenden Vertragsklauseln den Transparenzanforderungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB genügen.

Während die Entscheidung zur Transparenz von Vertragsklauseln bei Girokonten für rechtliche Klarheit sorgt, stellt das pauschale Verbot von Verwahrentgelten auf Spar- und Tagesgeldkonten einen erheblichen Eingriff dar. Die Argumentation des BGH, wonach diese Einlagen nicht rein verwahrender Natur seien, sondern primär Anlage- und Sparzwecken dienten, verkennt die wirtschaftliche Realität. Banken agieren in einem Umfeld, das durch regulatorische Eigenkapitalanforderungen und steigende Liquiditätskosten geprägt ist. Die Differenzierung zwischen Girokonten und Spareinlagen überzeugt darüber hinaus nicht. Während Verwahrentgelte auf Girokonten unter bestimmten Bedingungen zulässig sind, wird Banken bei Sparprodukten eine wirtschaftlich sinnvolle Preisanpassung pauschal untersagt.

Zudem schafft die Entscheidung rechtliche und wirtschaftliche Unsicherheiten. Unklar bleibt, wie Banken auf steigende Kosten infolge regulatorischer Vorgaben oder geldpolitischer Entwicklungen reagieren sollen. Anstatt eine differenzierte Betrachtung der Marktlage und der vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten zuzulassen, beschränkt der BGH die Preissetzung der Banken erheblich. Dies könnte dazu führen, dass Kreditinstitute alternative Maßnahmen ergreifen, etwa neue Gebührenmodelle einführen oder Einlagenvolumina begrenzen. Insgesamt stärkt der BGH mit diesem Urteil zwar die vermeintlichen Interessen der Verbraucher, ignoriert jedoch die wirtschaftlichen Realitäten der Bankenbranche. Die Folge könnte ein schrittweiser Rückzug der Banken aus unprofitablen Einlageprodukten sein, was letztlich auch den Verbrauchern schaden würde.

Ebru Keskin, Frankfurt am Main

ebru.keskin@goehmann.de

 

LG Düsseldorf: Wann ist billig zu billig?
LG Düsseldorf, Urteil vom 16.01.2025 zu Az.: 14d O 14/24

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Viele Verbraucher freuen sich, wenn sie ein „Schnäppchen“ machen können. Gibt es guten Kaffee günstig in einem Discounter, schlagen sie gerne zu. Doch wo liegt die Grenze der Zulässigkeit niedriger Preise? Mit dieser Frage hatte sich das Landgericht Düsseldorf zu befassen.

Dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.01.2025 lag ein Rechtsstreit zwischen einem bekannten Kaffeekonzern und einem Lebensmitteleinzelhandel zu Grunde. Der Kaffeekonzern vertrat die Auffassung, dass der Discounter Kaffee zu billig anbiete und klagte daher auf Unterlassen – erfolglos. Das Landgericht Düsseldorf hielt das Verhalten des Discounters für „kaufmännisch vertretbar“.

Die Preise der für die unter Eigenmarken des Discounters vertriebenen Kaffeeprodukte, die in den Aktionswochen unter den tatsächlichen Herstellungskosten, sonst jedoch über den Herstellungskosten lagen, seien nicht zu beanstanden. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich weder aus kartellrechtlichen noch aus wettbewerbsrechtlichen Regelungen.

Bei der kartellrechtlichen Beurteilung ließ das Landgericht offen, ob der Discounter über eine überlegene Marktmacht gegenüber dem Kaffeekonzern als „kleine oder mittlere Wettbewerberin“ i. S. d. § 20 GWB verfüge, verneinte jedoch eine unbillige Behinderung der Klägerin.

Hierbei hat das Landgericht berücksichtigt, dass sog. Unter-Kosten-Verkäufe und die Werbung für diese grundsätzlich zulässig seien. Darüber hinaus sei nichts gegen das vom Discounter eingesetzte Konzept der Mischkalkulation einzuwenden: bei einigen Artikel seien die Margen höher, andere seien gering kalkuliert. Die Preise seien daher kaufmännisch vertretbar. Zudem seien die Intensität und Häufigkeit der Maßnahmen des Discounters begrenzt, insoweit haben die Mitbewerber die Möglichkeit sich durch ein differenziertes Sortiment, insbesondere durch Qualität und Beratung hervorzuheben.

Auch einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch schloss das Landgericht aus den gleichen Gründen aus. Eine allgemeine Marktbehinderung i. S. d § 3 Abs. 1 UWG könne nach der Rechtsprechung des BGH unter dem Gesichtspunkt der Preisunterbietung nur angenommen werden, wenn die Preisunterbietung sachlich nicht gerechtfertigt sei und dazu führen könne, dass Mitbewerber vom Markt verdrängt werden und der Wettbewerb dadurch auf diesem Markt völlig oder nahezu aufgehoben wird. Insoweit scheide im vorliegenden Fall eine solche Behinderung aus den gleichen Gründen wie eine unbillige Behinderung aus.

Kaffee zu einem günstigen Preis anzubieten, der unter den Herstellungskosten liegt, ist demnach nicht rechtswidrig. Die Frage, ob es bei derartigen Preisen noch möglich ist, faire Anbaubedingungen und Löhne in den Herkunftsländern sicherzustellen, spielte in dem Verfahren keine Rolle.

Dr. Michael Ott und Jasmin Englert, Frankfurt am Main

michael.ott@goehmann.de; jasmin.englert@goehmann.de

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