Newsletter Bank- und Prozessrecht Q2/2023
10.05.2023 | Bank- und Prozessrecht
Mündliche Verhandlung des BGH am 8. Mai 2023 – Folgerungen aus dem Urteil des EuGH vom 21. März 2023, C-100/21 für die Dieselverfahren
BGH, Az. VIa ZR 335/21; VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22
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Der BGH verhandelte gestern erstmals nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mehrere Schadensersatzverfahren im Rahmen des sog. „Diesel-Abgasskandals“. Luxemburg hat mit Urteil vom 21. März 2023 in der Rechtssache C-100/21 entschieden, dass Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1 und 46 der Richtlinie 2007/46/EG neben allgemeinen Rechtsgütern auch die Einzelinteressen des Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dem Hersteller schützen, wenn das erworbene Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Der Käufer dürfe vernünftigerweise erwarten, dass in dem Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei.
Die Vorsitzende Richterin Dr. Menges stellte eingangs klar, insbesondere die Folgerungen des EuGH-Urteils für das deutsche Haftungsrecht erörtern zu wollen. Im Fokus stehe insbesondere ein Anspruch gem. § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV. Es entspreche zudem bereits der ständigen Rechtsprechung des BGH, die Individualinteressen der Fahrzeugkäufer in den Blick zu nehmen. Allerdings sei fraglich, welcher Haftungsmaßstab gegenüber den Fahrzeugherstellern gelten solle. Zu diskutieren sei insbesondere, ob die Fahrzeughersteller einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen seien. Im Übrigen müsse erörtert werden, wie weitreichend ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB geltend gemacht werden könne. Im Vergleich zu einem Anspruch gem. § 826 BGB sei fraglich, ob diesem ein Schadensausgleichscharakter zukomme. Der Senat bekundete Zweifel an der Ersatzfähigkeit des sog. „großen Schadensersatzes“ und tendierte zu einem „Vertrauensschutzschaden“ als Mittelweg. Konkret sei der Schaden nicht in der Eingehung eines ungewollten Vertrages zu sehen, sondern auf Grundlage der Differenzhypothese in dem anfänglichen Minderwert des Fahrzeugs. Die konkrete Berechnung blieb dabei offen. Weiter sei dem Urteil des EuGH nicht zu entnehmen, dass allein die Typengenehmigung einen Schadensersatzanspruch ausschließe.
Die Parteivertreter plädierten über fünf Stunden umfangreich zu einem möglichen Haftungsmaßstab im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB insbesondere im Vergleich zum Anspruch gem. § 826 BGB, zur Tatbestandswirkung der Typengenehmigung und im Rahmen der möglichen Rechtsfolgen zur konkreten Berechnung eines Schadensersatzanspruchs.
Der Senat kündigte die Prüfung der vorgetragenen Aspekte an, eine klare Tendenz ließ er Senat ungeachtet mehrfacher Nachfragen der Beklagtenvertreter nicht erkennen. Bleibt er bei der Differenzhypothese könnten die Dieselverfahren schon wegen der weit geringeren Streitwerte unattraktiver werden. So erbrachten diverse Sachverständigengutachten zu dem Thema, die der 17. Senat der OLG Frankfurt einholte, regelmäßig gar keinen messbaren Minderwert aufgrund der Abschalteinrichtungen.
Mit Spannung wird die Entscheidung des Senats am 26. Juni 2023 und deren Folgen erwartet.
Jennifer Stuppy und Pascal Schäfer, Frankfurt am Main
Unternehmerdarlehensvertrag – Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts durch Erteilung der Widerrufsinformation?
OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 23.03.2023 zu Az. I-14 U 57/22
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Der Kläger war Unternehmer und schloss mit der Bank einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Fahrzeugs. Später widerrief er den Darlehensvertrag und machte gegen Ansprüche aus dem Widerruf geltend. Die Klägerseite stellte sich hierbei auf den Standpunkt, dass der Darlehensnehmer den Vertrag als Verbraucher geschlossen habe und ihm daher ein gesetzliches Widerrufsrecht zustehe. Im Übrigen habe die Bank durch Erteilung der Widerrufsinformation dem Darlehensnehmer zumindest ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt.
Das OLG Düsseldorf erteilte dieser Argumentation eine Absage. Der Senat kommt in seinem Hinweisbeschluss zunächst zu dem Ergebnis, dass es sich um ein Unternehmerdarlehensvertrag handelt. Hierfür sprächen bereits die Vertragsunterlagen, da dort beispielsweise der Erhalt der Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite durchgestrichen wurde mit dem Vermerk „nicht anwendbar, da gewerblich“. Selbst wenn man aber unterstellen würde, dass der Darlehensnehmer das Darlehen als Verbraucher lediglich zu privaten Zwecken aufgenommen habe, so hätte der Darlehensnehmer das Darlehen durch Täuschung über den Zweck des Darlehens gegenüber der Bank erschlichen, so dass es dem Darlehensnehmer jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf seine angebliche Verbrauchereigenschaft zu berufen.
Ob dem Darlehensnehmer durch die Erteilung der Widerrufsinformation ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt worden sei, könne dahinstehen. Das OLG verwies insoweit zunächst auf die Rechtsprechung des III. Senats des Bundesgerichtshofs einerseits, welcher die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts in Betracht zieht, und die des XI. Senats des Bundesgerichtshofs anderseits, welcher in der vorliegenden Konstellation die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts ablehnt. Das OLG kommt sodann zu dem Ergebnis, dass selbst wenn man die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts unterstellen würde, das Widerrufsrecht durch Ablauf der 14 Tage bereits verfristet wäre. Insbesondere sei die erteilte Widerrufsinformation in diesem Fall nicht an den gesetzlichen Vorschriften zu messen. Insoweit fehle es bei dem vorliegenden Vertrag mit einem Unternehmer an der vom Gesetz typisierten Situation eines strukturellen Ungleichgewichts.
Eine interessante Entscheidung des OLG Düsseldorf, welche sich mit der divergierenden BGH-Rechtsprechung des III. Senats einerseits und des XI. Senats anderseits auseinandersetzt und hierbei schön herausstellt, dass beide Rechtsauffassungen letztendlich zu demselben Ergebnis führen.
Florian Stritzke, Frankfurt am Main
Anforderungen an das Vorliegen des Annahmeverzugs bei Widerruf eines mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags nach der Rechtsprechung des BGH
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Im Hinblick auf das von ihm zurückzugebende Fahrzeug ist der Darlehensnehmer gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB vorleistungspflichtig. Somit ist eine Klage auf Rückzahlung der geleisteten Raten sowie einer etwaigen Anzahlung nach der Rechtsprechung des BGH als derzeit unbegründet abzuweisen, solange der Verbraucher das Fahrzeug nicht an die Bank zurückgegeben oder zurückgesandt hat.
Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch dann, wenn sich der Darlehensgeber mit der Annahme der Ware in Annahmeverzug befindet, so dass der Darlehensnehmer in diesem Fall unmittelbar auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen kann. Bei der Beurteilung, ob sich die Bank mit der Entgegennahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet, ist zu beachten, dass es sich bei der Rückgewährverpflichtung des Darlehensnehmers um eine Bring- und Schickschuld handelt. Deshalb genügt es nach der Rechtsprechung des BGH nicht, wenn der Darlehensnehmer der Bank lediglich anbietet die Ware bei ihm abzuholen (BGH, Urteil vom 27.10.2020 – XI ZR 498/19). Ebenso ist es nach der Rechtsprechung des BGH nicht ausreichend, wenn der Darlehensnehmer vorgerichtlich oder gerichtlich die Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs nur Zug um Zug gegen Rückzahlung der geleisteten Zins- und Tilgungsraten angeboten hat (BGH, Urteil vom 14.06.2022 – XI ZR 552/20).
Im Urteil vom 14.06.2022 zu Az.: XI ZR 552/20 hat der BGH zu den Anforderungen an das Vorliegen eines Annahmeverzugs betont, dass grundsätzlich ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB erforderlich ist. Bei Widerruf eines mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbundenen Darlehensvertrag bedeutet dies im Hinblick auf das Wesen der Rückgewährpflicht als Bringschuld, dass der Darlehensnehmer bei dem Darlehensgeber mit dem finanzierten Fahrzeug vorfahren muss (vgl. Grüneberg in WM 2023, 359).
Soweit nach § 295 BGB ausnahmsweise ein wörtliches Angebot genügen kann, ist hierfür erforderlich, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer ausdrücklich erklärt hat, dass er das Fahrzeug nicht annehmen werde. Dazu bedarf es aber einer bestimmten und eindeutigen Erklärung des Darlehensgebers. Es ist insoweit nicht ausreichend, wenn sich die Bank überhaupt nicht zu der Frage geäußert hat, ob sie das Fahrzeug entgegennehmen werde. Auch das Bestreiten des Vorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs, enthält keine (konkludente) Erklärung, die Leistung nicht anzunehmen (BGH, Urteil vom 14.6.2022 – XI ZR 552/20.
Die Rechtsprechung des BGH zur Vorleistungspflicht und zum Annahmeverzug ist konsequent und begrüßenswert. Dadurch trägt man insbesondere auch dem Umstand Rechnung, dass in der Praxis die Darlehensnehmer keinen ernsthaften Rückgabewillen haben und die Rückgabebereitschaft des Fahrzeugs in der Regel lediglich vorgeschoben wird. Es wäre wünschenswert, wenn die Instanzgerichte dieser Rechtsprechung einheitlich Beachtung schenken würden.
Ebru Keskin, Frankfurt am Main
Bleiben deutsche Gerichtssäle bald leer?
Referentenentwurf zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten:
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Am 23. November 2022 hat das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und in den Fachgerichtsbarkeiten veröffentlicht. Dieses Ziel soll in erster Linie durch eine Neufassung des § 128a ZPO erreicht werden.
Bereits seit über 20 Jahren besteht durch § 128a ZPO die Möglichkeit, mündliche Verhandlungen per Bild- und Tonübertragung durchzuführen. Erst mit der Pandemie wurde davon effektiv Gebrauch gemacht. Eine Neufassung des § 128a ZPO soll diese Möglichkeiten nun weiter verbessern.
Eine wesentliche Änderung sieht vor, dass das Gericht künftig eine Videoverhandlung nicht mehr nur gestatten, sondern (ohne Antrag der Parteien) anordnen können soll. Hingegen soll bei übereinstimmenden Anträgen der Parteien auf Durchführung einer Videoverhandlung das Entscheidungsermessen des Gerichts durch eine Soll-Vorschrift dahingehend eingeschränkt werden, dass eine Videoverhandlung in der Regel durch das Gericht anzuordnen ist. Eine ausnahmsweise ablehnende Entscheidung ist dann vom Gericht zu begründen und anfechtbar.
Darüber hinaus soll die Möglichkeit zur Durchführung einer vollvirtuellen Verhandlung geschaffen werden, bei der sich auch das Gericht nicht im Sitzungssaal aufhält. Hier muss die Videoverhandlung zusätzlich in einen öffentlich zugänglichen Raum im Gerichtsgebäude in Bild und Ton übertragen werden, um den Grundsatz der Öffentlichkeit zu wahren.
Schließlich sollen sich die Regelungen zur Beweisaufnahme per Bild- und Tonübertragung zukünftig in § 284 ZPO-E finden. Hiernach soll auch eine Videobeweisaufnahme von Amts wegen angeordnet werden können. Zudem sieht der Entwurf vor, dass eine Inaugenscheinnahme im Wege der Videobeweisaufnahme möglich ist. Auch Aufnahmen zum Zwecke der vorläufigen Protokollierung sollen möglich sein. Um sicherzustellen, dass Beweispersonen während der Videovernehmung nicht von Dritten beeinflusst werden können, kann das Gericht gegenüber zu vernehmenden Zeugen und Parteien anordnen, dass sich diese während der Videovernehmung in einem Gericht aufzuhalten haben.
Zwischenzeitlich haben eine Vielzahl verschiedener Interessengruppen aus der Praxis ihre Stellungnahmen zu den geplanten Neuregelungen abgegeben.
Der Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) befürwortet die angedachte Neuregelung des § 128a ZPO: Die Videoverhandlung habe in Zeiten der Pandemie entscheidend dazu beigetragen, dass Rechtsstreitigkeiten noch innerhalb akzeptabler Zeiten durchgeführt und abgeschlossen werden konnten. Die erfolgreiche Umsetzung der Neuregelung sei jedoch zunächst davon abhängig, dass an allen Gerichten die erforderlichen technischen Voraussetzungen kurzfristig geschaffen werden können.
Tatsächlich stellt dies derzeit eine der größten Hürden dar: insbesondere die benötigte Hardware ist an vielen Gerichten noch rar gesät, sodass es einen meist erheblichen zeitlichen Planungsvorlauf braucht, um die gewünschte Videoverhandlung in die Tat umzusetzen.
Der Deutsche Richterbund unterstützt die Intention des Referentenentwurfs grundsätzlich auch. Jedoch kritisiert er die geplante Soll-Vorschrift, sowie die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde bei ablehnender Entscheidung. Es würden dadurch lange bewährte Grundprinzipien des Zivilprozesses, wie beispielsweise die Prozessleitung und Verantwortung für das Verfahren durch das Gericht, über Bord geworfen, ohne dass dem ein erkennbarer Nutzen für die wirkungsvolle Förderung von Videoverhandlungen gegenüberstünde. Darüber hinaus seien die vorgesehenen Regelungen viel zu kompliziert und dadurch fehleranfällig. Dies stünde einer effektiven Beschleunigung des Verfahrens entgegen.
Gerade aber in Massenverfahren hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass eine persönliche Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten häufig nicht notwendig und zugleich mit unverhältnismäßigem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. Das gilt insbesondere, wenn nur um Rechtsfragen gestritten wird. Sollte bei Bedarf die Hinzuziehung einer Partei, eines Sachverständigen oder eines Dolmetschers notwendig erscheinen, so erleichtern die geplanten Neuregelungen die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ortsunabhängig. Der Referentenentwurf ist also ein wichtiges Signal an die – längst überfällige – Digitalisierung in der deutschen Gerichtsbarkeit.
Jennifer Stuppy, Frankfurt am Main
Zu den Anforderungen von Pflichtangaben bei grundpfandrechtlich besicherten Darlehen
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.03.2023 zu Az.: 3 U 274/22
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Der 3. Senat des OLG Frankfurt hat sich umfassend mit den Anforderungen der bei grundpfandrechtlich besicherten Darlehen zu erteilenden Pflichtangaben auseinandergesetzt.
Unter anderem hat der Senat mit Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 29.08.2017 zu Az.: XI ZR 318/16) sowie des 23. Senats des OLG Frankfurt (Beschluss vom 03.03.2017 zu Az.: 23 U 129/16) entschieden, dass die Erteilung einer Widerrufsinformation für mehrere Teildarlehen nicht zu beanstanden ist. Dem Beschluss ist zu entnehmen, dass eine Belehrung über die Teilwiderruflichkeit von der Darlehensgeberin jedenfalls nicht geschuldet ist, dies steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Soweit in der Widerrufsinformation der im Falle des Widerrufs zu zahlende Tageszins als Summe für sämtliche Teildarlehen angegeben wurde, ist nach der Entscheidung des Senats auch dies nicht zu beanstanden. Der Senat liegt damit auf der Linie des BGH (Beschluss vom 14.03.2023 zu Az.: XI ZR 236/22), der eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des 19. Senats des OLG Frankfurt vom 12.09.2022 zu Az.: 19 U 64/22, der die Angabe eines einheitlichen Tageszinses ebenfalls nicht beanstandete, zurückwies.
Erfreulich sind auch die Ausführungen des Senats zu den Angaben der Anzahl der Teilzahlungen. Hintergrund der Entscheidung ist der Umstand, dass grundpfandrechtlich besicherte Darlehen häufig auf unbestimmte Laufzeit geschlossen werden, da die Rückzahlung des Darlehens im Rahmen der Sollzinsbindung regelmäßig nicht erfolgt. Die für die Rückführung des Darlehens notwendig Anzahl der Teilzahlungen ist daher abhängig von den Konditionen, die die Parteien im Laufe des Vertragsverhältnisses zukünftig schließen. Soweit die Darlehensgeberin folglich die Anzahl der Teilzahlungen auf der Grundlage der bei Vertragsschluss geltenden Konditionen angibt, führt dies entsprechend dem Beschluss des Senats zu keiner unklaren Angabe. Weiter hat der Senat klargestellt, dass es auch für einen durchschnittlichen Verbraucher offensichtlich ist, dass die Angabe der Anzahl der Teilzahlungen auf der Annahme der geltenden Konditionen bei Vertragsschluss getroffen wurde und sich bei zukünftigen Konditionenanpassungen demnach ändern kann.
Bettina Zerelles, Frankfurt am Main
Eisberg voraus für das Kilometerleasing?
Vorschlag der Europäischen Kommission vom 30.06.2021 zur Aufhebung und Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie
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Nachdem der Bundesgerichtshof entschieden hatte, dass ein sog. Kilometerleasingvertrag keine entgeltliche Finanzierungshilfe darstellt und damit weder ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB besteht, noch die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB zu erteilen sind (BGH, Urteil vom 24.02.2021 – VIII ZR 36/20), schien das Kilometerleasing die rauen Gewässer des Darlehensvertragsrechts unbeschadet verlassen zu haben.
Den sodann eingeschlagenen Kurs der Verbraucheranwälte, die Einordnung eines im Autohaus vom Leasingnehmer unterzeichneten Leasingvertrags als außerhalb von Geschäftsräumen des Leasinggebers bzw. im Fernabsatz geschlossenen Vertrag anzupeilen und auf diesem Wege in den sicheren Hafen eines Widerrufsrecht nach § 312g BGB einzulaufen, hat nun zumindest der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Collins durchkreuzt (vgl. Schlussanträge vom 16.02.2023 – C-38/21, C-47/21 und C-232/21, die wir in einer Veranstaltung am im Februar 2023 mit Interessierten aus der Branche im Einzelnen erörtert haben). Sollte der Europäische Gerichtshof dieser Einschätzung folgen (zur Besprechung der Entscheidung werden wir Interessierte aus der Leasingbranche erneut herzlich einladen), wäre auch die Klippe des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts umschifft.
Erscheint nun für das Kilometerleasing der nächste Eisberg am Horizont?
Die Europäische Kommission schlägt nunmehr vor, die Verbraucherkreditrichtlinie aufzuheben und durch eine Richtlinie über Verbraucherkredite zu ersetzen, nach der wohl sämtliche Leasingverträge in den Anwendungsbereich fallen sollen (Vorschlag der Europäischen Kommission vom 30.06.2021 zur Aufhebung und Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie).
Damit lägen all die Untiefen des Darlehensrechts, die erfolgreich umsegelt schienen, wieder vor dem Bug des Kilometerleasings. Wie sich in der Vergangenheit bereits gezeigt hat, sind insbesondere einige der in einem Darlehensvertrag zwingend zu erteilenden Angaben nicht ohne weiteres auf einen Leasingvertrag übertragbar und bergen damit erhebliches Havariepotential – beispielsweise der Hinweis auf einen Tilgungsplan, die Auszahlungsbedingungen, das Recht zur vorzeitigen Darlehensrückzahlung sowie nicht zuletzt die Anpassung der Widerrufsinformation, die verpflichtend einen Hinweis auf die Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens und die Entrichtung der Sollzinsen enthalten muss. Der Gesetzgeber ist bisher nicht als Lotse in Erscheinung getreten, sondern hat die Leasinggeber mit dieser Aufgabe alleine gelassen und den Unterschieden zwischen einem Darlehens- und einem Leasingvertrag keine Beachtung geschenkt. Es steht zu befürchten, dass dies auch bei der Umsetzung einer neuen Verbraucherkreditrichtlinie kaum anders sein wird. Allerdings dürfte der Gesetzgeber gefordert sein, zunächst eine Definition eines Leasingvertrags zu entwerfen. Die aktuelle Definition eines Leasingvertrags in § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB stellt maßgeblich auf eine Kaufverpflichtung oder eine Restwertgarantie ab. Ohne diese Merkmale würde die Vorschrift einen Leasingvertrag als Vertrag über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes definieren. Das klingt doch sehr nach einem Schiff gänzlich anderer Bauart.
Wir halten den Ausguck besetzt und werden das Manöver weiter beobachten. Sollte dieser Eisberg tatsächlich Bug voraus auftauchen, helfen wir gerne, ihn erfolgreich zu umschiffen.
Michael Dreyer, Frankfurt am Main
VDuG – Das neue Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz
Die neue Abhilfeklage als Allheilmittel?
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Nicht nur die Diesel-Affäre, sondern auch Rechtsstreitigkeiten im Bankrecht, Datenschutzrecht oder Kartellrecht haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sowohl die Anwaltschaft aber vor allem auch die Justiz durch Massenverfahren vor teilweise extreme Probleme gestellt wurden. Die Einführung der Abhilfeklage soll die Gerichte von den massenhaften Individualklagen entlasten. Ob dies tatsächlich gelingen wird, bleibt abzuwarten.
Der kollektive Rechtsschutz ist in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bisher sehr unterschiedlich geregelt gewesen. Die Ende 2020 in Kraft getretene Richtlinie 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG soll den Verbraucherschutz unionsweit vereinheitlichen, um so das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt zu stärken. Die Richtlinie sollte von den Mitgliedsstaaten der EU eigentlich bis zum 25.12.2022 in nationales Recht umgesetzt werden, das dann ab dem 25.06.2023 Anwendung finden soll. In Deutschland wurde das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) in Art. 1 des Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz (VRUG) Ende März 2023 beschlossen. Mit dem VDuG soll die Richtlinienvorgabe zur Abhilfeklage umgesetzt werden.
Dieser Beitrag setzt sich nur mit wenigen der vielen, äußerst kontrovers diskutieren Aspekten der neuen Abhilfeklage auseinander (Gleichstellung Verbraucher und kleine Unternehmen, Anmeldezeitraum und Sachwalter).
Interessant ist zunächst sicherlich, dass das VDuG eine Gleichstellung von Verbrauchern und kleinen Unternehmen vorsieht. Mit der Abhilfeklage können sowohl Ansprüche von Verbrauchern und von kleinen Unternehmen gegen Unternehmen unmittelbar gerichtlich durchgesetzt werden. Als kleine Unternehmen gelten gem. § 1 Abs. 2 VDuG solche, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanz die EUR 10 Mio. nicht übersteigt. Diese Gleichstellung ist schon erstaunlich, zumal sich die kleinen Unternehmen wohl selbst nicht für genauso schutzwürdig wie Verbraucher erachten dürften. Auch birgt diese Regelungen enorme Missbrauchsgefahren. So könnten beispielsweise Unternehmen durch die Schaffung von vielen kleinen Unternehmen gegen ihre großen Konkurrenten vorgehen. Absurd erscheint es zudem auch, dass Verbraucherverbände dann noch die Interessen von kleinen Unternehmen vertreten sollen. Dies insbesondere dann, wenn die Abhilfeklage ausschließlich durch kleine Unternehmen erhoben wird.
Ein weiterer Schwachpunkt der Abhilfeklage ist sicherlich der Anmeldezeitraum. Gem. § 46 VDuG können Verbraucher noch bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem ersten Termin am Abhilfeverfahren teilnehmen und so von der Bindungswirkung der Entscheidung profitieren. Bei der Musterfeststellungsklage lief die Anmeldefrist am Tag vor der ersten mündlichen Verhandlung ab. Die Verlängerung des Anmeldezeitraums dürfte insbesondere die Vergleichsbereitschaft des beklagten Unternehmens stark beeinträchtigen, weil im Termin zur mündlichen Verhandlung die Anzahl der Anspruchssteller noch nicht bekannt ist. Das Gesetz unterschätzt dabei, wie wichtig die Regieführung des Gerichts im Termin für die Vergleichsverhandlungen ist. Aber auch für das Gericht ist die späte Anmeldemöglichkeit nicht effizient, da es bei ungewisser Schadenshöhe schwer sein wird, eine Entscheidung zu treffen, auch wenn zunächst nur ein Abhilfegrundurteil zu fällen ist.
Schließlich ergeht nach Erlass des Abhilfegrundurteils gem. § 16 VDuG und gescheiterten Vergleichsverhandlungen gem. § 17 Abs. 2 VDuG ein Abhilfeendurteil. Dies wird in den vielfach in Fällen des Obsiegens die Verurteilung zu einem „kollektiven Gesamtbetrag“ vorsehen. Die Zahlung ist dann an einen Sachwalter zur Durchführung des Umsetzungsverfahrens gem. §§ 22ff. VDuG zu leisten und kann ggf. sogar noch während des Umsetzungsverfahrens gem. § 21 VDuG erhöht werden. Der Sachwalter prüft die geltend gemachten Verbraucheransprüche nach Maßgabe des Abhilfegrundurteils und veranlasst die Erfüllung der Ansprüche, die sich als berechtigt erweisen. Die Gesetzesbegründung sieht vor, dass als Sachwalter aufgrund des Umfangs und der Komplexität des Umsetzungsverfahrens beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater, Betriebswirte, Insolvenzverwalter oder Wirtschaftsprüfer in Betracht kommen. Bei dem Umsetzungsverfahren kann man daher durchaus auf die Idee kommen, dass originär dem Gericht obliegende Aufgaben outgesourct werden. Der verurteilte Unternehmer allerdings hat im Umsetzungsverfahren keine Einflussmöglichkeiten und kann dementsprechend auch keine Einwendungen geltend machen. Er kann zwar der Entscheidung des Sachwalters widersprechen, die Entscheidung des Sachwalters im Widerspruchsverfahren ist dann aber unanfechtbar. Hier sind Folgeprozesse bzw. Individualklagen vorprogrammiert, was nicht der angestrebten Prozessökonomie dienen dürfte.
Es bleibt abzuwarten, ob in der Praxis die Abhilfeklage als weiteres Instrument für Massenklagen angenommen wird und Individualklagen tatsächlich reduziert werden können. Sicherlich haben sich Verbraucher zwischenzeitlich an die Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen ohne finanzielles Risiko wie etwa bei der Musterfeststellungsklage mehr und mehr gewöhnt. Allerdings muss der einzelne Verbraucher doch noch selbst aktiv werden und seine Ansprüche anmelden. Die Erfahrung mit Musterfeststellungsklagen zeigt, dass allein die Darstellung von Gegenstand und Grund des Anspruchs und des Rechtsverhältnisses zum Unternehmen den Verbraucher vor einige Schwierigkeiten stellt. Es ist eher davon auszugehen, dass ähnlich wie bei der Musterfeststellungsklage mit Unterstützung von Rechtsschutzversicherungen oder Prozessfinanzierern Individualklagen der Regelfall bleiben.
Larissa Normann, Frankfurt am Main