Newsletter Bankrecht 3/2018
30.10.2018 | Bankrecht
Die Themen:
- BGH: Aufrechnungsklauseln und Widerrufsrecht
- OLG Dresden: Bank zur Rückzahlung von Bankentgelten verurteilt
- LG Nürnberg-Fürth: Gerichtsstand einer Autokredit-Widerrufsklage
- OLG Frankfurt: Zur Angabe des Zinsbetrages im Rahmen der Widerrufsinformation
- BGH-Entscheidung im Fall „Dieselgate“ angekündigt
Aus anderen Rechtsgebieten:
- BGH: Unwirksamkeit von vorteilsunabhängigen Nachzahlungsklauseln
In eigener Sache:
Buchveröffentlichung Musterfeststellungsklage, Erscheinungsdatum November 2018
Aufrechnungsklauseln und Widerrufsrecht
BGH, Urteil vom 20.03.2018 – Az.: XI ZR 309/16 u. BGH, Beschluss vom 03.07.2018 – Az.: XI ZR 758/17
Mit Urteil vom 20.03.2018 zu Az.: XI ZR 309/15 hatte der BGH sich erneut zur Frage der Zulässigkeit von Aufrechnungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) geäußert. Das Urteil wird von Verbraucherschutzanwälten vermehrt herangezogen, um eine Widerrufbarkeit des Darlehensvertrages zu begründen – ohne Erfolg, wie inzwischen feststehen sollte.
Der XI. Senat des BGH hatte im März über die Frage der Wirksamkeit einer in den AGB der Sparkassen verwendeten Klausel zu entscheiden, wonach der Darlehensnehmer gegen Forderungen der Bank nur aufrechnen kann, wenn diese Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Der Senat entschied, dass diese Klausel im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Darauf aufbauend argumentieren diverse Verbraucher, dass sich hieraus eine für sie positive Rechtsfolge auch im Falle eiern an sich ordnungsgemäß erfolgten Widerrufsbelehrung ergebe. So hat das Landgericht Ravensburg im Urteil vom 21.09.2018 zu Az. 2 O 21/18 entschieden, dass durch die unwirksame Klausel in den AGB die komplette Widerrufsbelehrung des Kredits nicht ordnungsgemäß sei. Unter der medienwirksamen Überschrift: „Fehler in AGBs vieler Banken – BGH belebt Widerrufsjoker neu“ konnte so zuletzt am 23.10.2018 eine breite Öffentlichkeit erreicht werden.
Eigentlich sollte aber längst bekannt sein, dass der BGH diese Rechtsfolge gerade nicht für zutreffend erachtet. Nach einigen Instanzenscheidungen hatte das OLG Frankfurt am Main im Beschluss vom 23.08.2018 – Az.: 23 U 9/18 dies auch umfangreich begründet: „Soweit die Berufung … nun eine Klausel Ziff. 4. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten mit der Überschrift „Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kunden“ anführt und die Ansicht vertritt, diese Aufrechnungsklausel sei nach § 307 BGB unwirksam, hat dies ersichtlich keine Auswirkungen auf die Richtigkeit der erteilten Widerrufsbelehrung (vgl. Senat, Beschluss vom 14.05.2018, 23 U 81/17; Beschluss vom 3.8.2018, 23 U 49/18; Beschluss vom 10.08.2018, 23 U 40/18). Denn eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung – wie vorliegend – wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (BGH NJW-RR 2018, 118).“
Das hat kurz und knapp und deshalb vielleicht noch nicht so verbreitet der BGH bereits im Zurückweisungsbeschluss vom 03.07.2018 zu Az. XI ZR 758/17 identisch beurteilt: „Die in Nummer 26 der \“All-gemeine Bedingungen für Kredite und Darlehen\“ der Beklagten enthaltene Abbedingung des § 193 BGB beeinträchtigt die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation nicht.“ Inhaltlich knüpft der Bankensenat damit an seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 10.10.2017 zu Az.: XI ZR 443/16 an: „Darüber hinaus wird eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, wie hier drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2015 IV ZR 71/14, juris Rn. 11).“
Die Argumentation verdient uneingeschränkte Zustimmung, denn ob eine Widerrufsinformation fehlerhaft ist, muss sich aus dieser selbst heraus feststellen lassen. Das ist gerade nicht der Fall, wenn sich eine Unwirksamkeit nur aus den AGB, nicht aber der Widerrufsinformation selbst ergeben soll.
Dr. Ilka Heigl, Frankfurt am Main
ilka.heigl@goehmann.de
Bank zur Rückzahlung von Entgelten verurteil
OLG Dresden, Urteil vom 10.04.2018 – Az.: 14 U 82/16
Das OLG Dresden hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die beklagte Bank von ihren Kunden, für die ihr Pfändungsmaßnahmen zugestellt worden waren, eine Aufwandspauschale in Höhe von EUR 30,00 pro Pfändungsmaßnahme („Pfändungsgebühren“) forderte. Diese Gebühr wurde allerdings nicht aufgrund einer AGB-Klausel, sondern rein faktisch durch Abbuchung von dem Kundenkonto und entsprechende postalische Information des Kunden erhoben. Dieses Vorgehen der Bank war aber wegen des Umgehungsverbots in § 306a BGB für die Entscheidung des Falls unerheblich. Der BGH hatte bereits im Jahr 1999 (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.1999 zu Az.: XI ZR 8/99) entschieden, dass die Bank als Drittschuldnerin im Rahmen von Pfändungsmaßnahmen kein Entgelt von dem Vollstreckungsschuldner verlangen könne. Die Auskunftspflicht des Drittschuldners gemäß § 840 Abs. 1 ZPO sei eine vom Gesetzgeber aus der allgemeinen Zeugnispflicht abgeleitete staatsbürgerliche Pflicht. Ihre Erfüllung liege nicht im Interesse des Vollstreckungsschuldners, sondern im Interesse des Vollstreckungsgläubigers und des Drittschuldners, hier also der beklagten Bank. Insofern lag durch die Erhebung der Gebühr ein Verstoß gegen die geltende BGH-Rechtsprechung evident auf der Hand. Die beklagte Bank hatte daher bereits vor Klageerhebung durch die Verbraucherzentrale eine Unterlassungserklärung abgegeben.
Das OLG Dresden hat den Fall dahingehend entschieden, dass die Bank eine Folgenbeseitigung durch Rückzahlung der EUR 30,00 an den jeweiligen Kunden vorzunehmen hat. Ein entsprechender lauterkeitsrechtlicher Anspruch stünde der klagenden Verbraucherzentrale gem. § 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 UWG zu. Der BGH hatte bereits im Dezember 2017 entschieden, dass einer Verbraucherzentrale als qualifizierte Einrichtung iSv § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ein Beseitigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm § 3a UWG zustehen kann. In dem dortigen Verfahren hatte der BGH (Urteil vom 14.12.2017 zu Az.: I ZR 184/15) geurteilt, dass ein Verstoß gegen § 307 BGB durch Verwendung von intransparenten AGB die Voraussetzungen einer unlauteren geschäftlichen Handlung gemäß § 3 Abs. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gem. § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) erfüllt. Auf dieses BGH-Urteil stützt sich das OLG Dresden in seiner Begründung, ohne sich vertieft mit dem Folgenbeseitigungsanspruch an sich auseinanderzusetzen.
Dass das OLG Dresden einen Folgenbeseitigungsanspruch durch Rückzahlung der EUR 30,00 an die jeweiligen Kunden ausgeurteilt hat, ist wohl dem besonders schweren Rechtsverstoß der beklagten Bank geschuldet. Schon das erstinstanzliche Landgericht hatte wie folgt festgestellt: „Vorliegend ist jedenfalls das Verschulden der Beklagten als schwer zu bewerten, die sich hartnäckig einer seit dem Jahr 1999 bestehenden BGH-Rechtsprechung widersetzt und ihre Position gegenüber Verbrauchern missbraucht, die wegen des Betrags von 30 EUR wohl nur sehr eingeschränkt ein gerichtliches Verfahren anstrengen werden.“ (vgl. LG Leipzig, Urteil vom 10.12.2015 zu Az.: 05 O 1239/15). Als allgemein gültige Rechtsfolge von rechtswidrig erhobener Entgelte kommt der Folgenbeseitigungsanspruch daher wohl nicht in Betracht. Dies insbesondere deshalb nicht, weil das Lauterkeitsrecht eine andere Zielsetzung hat, nämlich die Abwehr deliktischen Verhaltens. Im Rahmen der Änderung der Rechtsprechung zu Bankentgelten in den letzten Jahren, wird man einer Bank zumindest rückwirkend nicht anlasten können, sich unlauter im Rahmen der Erhebung von Bankentgelten verhalten zu haben. Dies müsste insbesondere bei der notwendig vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ins Gewicht fallen. Aus diesen Gründen hat das OLG Dresden wohl auch keine Veranlassung gesehen, allgemein gültige Rechtsgrundsätze losgelöst von dem zu entscheidenden Einzelfall aufzustellen. Etwa die Bemessung des Zeitraums, in welchem grundsätzlich rückwirkend geleistet werden müsste oder hinsichtlich der Frage, ob Folgenbeseitigungsansprüche auch in Fallkonstellationen bestehen, in denen die Zahlungen durch Verbraucher selbst veranlasst wurden. Im Übrigen wurde in der Vergangenheit ein Folgenbeseitigungsanspruch, gerichtet auf Rückzahlung, stets verneint (vgl. etwa LG Koblenz, Urteil vom 20.04.2016 zu Az.: 15 O 170/15 oder LG Hamburg, Urteil vom 29.03.2016 zu Az.: 312 O 211/15). Es bleibt daher abzuwarten, ob der Folgenbeseitigungsanspruch als Kollektivrechtsschutz in Zeiten der ab 01.11.2018 geltenden Musterfeststellungsklage weiter verfolgt wird.“
Larissa Normann, Frankfurt am Main
larissa.normann@goehmann.de
Gerichtsstand einer Autokredit-Widerrufsklage
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 01.03.2018 – 10 O 6141/17
Vielfach ist zu beobachten, dass Verbraucher zwecks klageweiser Geltendmachung ihrer vermeintlichen Ansprüche infolge des Widerrufs ihrer auf den Abschluss einer Kfz-Finanzierung gerichteten Vertragserklärung das Gericht an ihrem Wohnort anrufen. Dabei berufen sie sich teilweise auf einen angeblichen einheitlichen Erfüllungsort für die Rückabwicklungspflichten am Belegenheitsort der Sache, teilweise auf einen Gerichtsstand der mit der Leistungsklage auf Erstattung der bislang entrichteten Raten (und einer etwaigen Anzahlung) kombinierten negativen Feststellungsklage, dass der Bank kein Anspruch auf (weitere) Zins- und Tilgungsleistungen gemäß dem Darlehensvertrag zustünden.
Letzterer Vorgehensweise erteilte nunmehr das LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 01.03.2018 – 10 O 6141/17) eine Absage. Zwar sei für die negative Feststellung, nach dem Widerruf weder Zins noch Tilgung aus dem Darlehensvertrag zu schulden, grundsätzlich eine örtliche Zuständigkeit am Wohnsitz des Darlehensnehmers gegeben, da die dahingehenden Zahlungsverpflichtungen eben am Wohnsitz des Darlehensnehmers zu erfüllen seien. Allerdings stelle sich dieser negative Feststellungsantrag lediglich als Zwischenfeststellungsklage dar, deren örtliche Zuständigkeit dem vorrangigen Leistungsantrag auf Erstattung der bereits entrichteten Raten folge. Dieses Ergebnis leuchtet ein, denn falls der Widerruf wirksam sein sollte folgt daraus unmittelbar, dass die Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht mehr bestehen und die bereits entrichteten Raten zurückzuzahlen wären, was wiederum die Feststellung einschließt, dass keine weiteren Zins- und Tilgungsleistungen geschuldet werden. Der vielfach proklamierte eigenständige Regelungsgehalt des negativen Feststellungsantrags besteht somit bei genauerem Hinsehen nicht.
Dieser Befund lässt sich auch den Erwägungen des LG Neuruppin (Hinweis vom 13.09.2018 – 5 O 122/18) entnehmen, das – ganz im Stile des BGH – erkennt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung die Klage insgesamt nicht darauf gerichtet ist, das Darlehen nicht zurückzahlen zu müssen, sondern die Erstattung der entrichteten Raten zum Ziel hat.
Ergänzende Erwägungen liefert das LG Köln (Hinweis vom 15.05.2018 sowie Beschluss vom 08.06.2018 – 21 O 302/17) unter Berufung auf das (soweit ersichtlich nicht veröffentlichte) OLG Bamberg, denen zufolge selbst dann, wenn der negative Feststellungsantrag nicht lediglich als Zwischenfeststellungsklage auszulegen sein sollte, keine örtliche Zuständigkeit am Wohnsitz des Darlehensnehmers gegeben wäre, denn bei einer negativen Feststellungsklage sei nicht automatisch und insbesondere nicht kraft gesetzlicher Vorschrift ein Gerichtsstand am Sitz des Schuldners der negierten Leistung eröffnet. Der Grundsatz der örtlichen Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des beklagten Schuldners sei demnach in erster Linie Ausdruck des Gedankens der prozessualen Waffengleichheit, von dem abzuweichen nur in besonderen gesetzlich geregelten Fällen besteht. Die Klage auf Rückabwicklung eines Autokredits mitsamt dem verbundenen Kaufvertrag stellt keinen solchen Fall dar, so dass sie richtigerweise allein am Sitz des beklagten Darlehensgebers zulässig ist.
Michael Dreyer, Frankfurt am Main
michael.dreyer@goehmann.de
Zur Angabe des Zinsbetrages im Rahmen der Widerrufsinformation
OLG Frankfurt, Hinweisbeschluss vom 19.10.2018 zu Az.: 23 U 17/18
Das OLG Frankfurt hat sich mit Hinweisbeschluss vom 19.10.2018 zu Az.: 23 U 17/19 erfreulich zu den Anforderungen einer Widerrufsinformation zu einem Darlehensvertrag geäußert.
Die Parteien schlossen im Frühjahr 2011 einen Darlehensvertrag, bei dem die Darlehenssumme auf zwei Unterkonten aufgeteilt wurde. Die Darlehen wurden in einer Gesamturkunde zusammengefasst.
Die Kläger machen geltend, dass die Widerrufsinformation fehlerhaft sei, weil der in der Belehrung anzugebende Tageszins falsch sei. Die Kläger argumentieren, dass aufgrund der Ausreichung von zwei Darlehen für jeden Darlehen ein gesonderter Tageszins anzugeben sei, nicht aber – wie geschehen – die Summe der anfallenden Tageszinsen für beide Darlehen. Hintergrund des Vortrages ist, dass die Musterbelehrung der Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB vorsieht, dass im Rahmen der Rechtsfolgenbelehrung für den Fall eines Widerrufs über den vom Verbraucher zuzahlenden Zinsbetrag für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung bei voller Inanspruchnahme des Kredites zu belehren ist.
Der Senat hat erfreulicherweise klargestellt, dass die Erteilung einer Widerrufsinformation mit Angabe eines einheitlichen Tageszinses nicht zu beanstanden ist. Eine einheitlich erteilte Widerrufsbelehrung genüge in den Fällen, in denen mehrere Darlehensverträge in einer Vertragserklärung zusammengefasst sei, ohne dass eine Vorentscheidung darüber getroffen worden sei, ob der Widerruf der auf den Abschluss eines der Darlehensverträgen gerichteten Willenserklärung zugleich Auswirkung auf den Bestand der übrigen Darlehensverträge habe (so im Übrigen auch BGH, Beschluss vom 26.09.2017 zu Az.: XI ZR 399/16). Da die Kläger mittels einer Vertragserklärung den Darlehensvertrag geschlossen haben, konnten sie auch nur diese Vertragserklärung widerrufen. Zutreffend weist der Senat darauf hin, dass über die Teilbarkeit des Widerrufs keine Belehrungspflicht bestand. Folgerichtig ist die Angabe eines einheitlichen Tageszinsbetrages auch nicht zu beanstanden.
Bettina Zerelles, Frankfurt am Main
bettina.zerelles@goehmann.de
BGH-Entscheidung im Fall „Dieselgate“ angekündigt
BGH, mündliche Verhandlung am 09.01.2019 zu Az.: VIII ZR 78/18
Obwohl sich inzwischen wohl fast alle Zivilgerichte in der Republik mit der Diesel-Problematik beschäftigen, steht eine höchstrichterliche Klärung der relevanten Rechtsfragen bislang aus. Lediglich zur Frage einer Streitgenossenschaft zwischen Fahrzeug-Hersteller und Fahrzeug-Händler äußerte sich der BGH in diesem Sommer (BGH, Beschluss vom 06.06.2018 – X ARZ 303/18).
So entscheiden seit gut drei Jahren die Gerichte weitestgehend in Eigenregie, was zu einer erheblich uneinheitlichen Rechtsprechung führt: während ein Fahrzeugkäufer in Stuttgart mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen konnte, dass ihm diverse Schäden zugesprochen werden, musste sein Pendant in Frankfurt am Main mit ebenso großer Wahrscheinlich mit einer Klageabweisung rechnen.
Ausweislich der Pressemitteilung vom 09.10.2018 will der für unter anderem für Kaufrecht zuständige VIII. Senat des obersten Zivilgerichts sich am 09.01.2019 mit der Diesel-Problematik beschäftigen. Es soll über die vom OLG Dresden aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung zugelassenen Revision des in erster und zweiter Instanz unterliegenden Klägers entschieden werden:
Im Jahr 2013 erwarb der Kläger von der Beklagten als Fahrzeug-Händlerin ein mit einem 2.0 Dieselmotor Typ EA 189 ausgestatteten Fahrzeug der Marke Skoda. Im Februar 2016 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung auf, „den von der Softwaremanipulation innewohnender Mangel“ zu beheben. Nachdem die Beklagte dem Kläger noch im Februar 2016 mitgeteilt hatte, dass die Fahrzeug-Herstellerin für sein Fahrzeug ein Software-Update vorgesehen habe, welches voraussichtlich im März 2016 zur Verfügung stehen werde, erhob der Kläger noch im April 2016 Klage gegen die Beklagte. Dabei argumentierte er, dass die installierte Software einen Mangel in Form von einem „unnatürliches Fahrverhalten“ verursache und das Fahrzeug aufgrund des Diesel-Skandals einen merkantilen Minderwert aufweise. Darüber hinaus sei nicht sicher, dass der Mangel im Rahmen eines Software-Updates zu beheben sei, ohne dass Folgeschäden auftreten. Nichtsdestotrotz ließ der Kläger das Software-Update im Oktober 2016 bei einem weiteren Händler durchführen.
Mit Urteil vom 16.10.2017 zu Az.: 1 O 297/16 wies das LG Zwickau die Klage mit der Begründung ab, dass der bei Gefahrübergang vorhandene Mangel in Form einer Nichteinhaltung der Euro 5 Norm durch das Software-Update behoben worden sei. Zwar stehe dem Käufer die Wahl zwischen Nachbesserung und Nachlieferung zu, doch habe der Kläger durch die Durchführung des von der zuständigen Behörde bestätigten Software-Updates die Nachbesserung als Erfüllung des Nacherfüllungsanspruchs akzeptiert. Ein weiterer Mangel – etwa in Form eines merkantilen Minderwerts – sei auch nicht vorhanden.
Mit Urteil 01.03.2018 zu Az.: 10 U 1561/17 wies auch das OLG Dresden die Berufung des Klägers vollständig zurück. Dabei bestätigte das OLG Dresden weitestgehend die Ausführungen des LG Zwickau unter Erweiterung der Erläuterungen zum merkantilen Minderwert. So passe das Konzept des merkantilen Minderwerts vom Grundgedanken her nicht auf die hiesige Konstellation, weil keine generelle Fehleranfälligkeit und auch keine Erfahrungswerte zu zukünftig zu erwartenden Schäden vorliegen.
Nun soll sich der BGH mit der gegen diese Entscheidungen erhobenen Revision des Klägers befassen. Unklar ist dabei zunächst wie die betroffenen Kläger in den bereits laufenden Verfahren reagieren werden. Unsicherheit besteht auch bezüglich des Umfangs der zu erwartenden Feststellungen: letztendlich hat bspw. die Spruchpraxis in den Verbraucherdarlehen-Widerrufsfällen gezeigt, dass der BGH mit seinen Entscheidungen teilweise mehr Fragen aufwirft, als dass er sie beantwortet.
Denitsa Dimova, Frankfurt am Main
denitsa.dimova@goehmann.de
Unwirksamkeit von vorteilsunabhängigen Nachzahlungsklauseln
BGH, Urteil vom 20.04.2018 – V ZR 169/17
In Grundstückskaufverträgen mit Gemeinden finden sich häufig Mehrerlös- oder Nachzahlungsklauseln. Hierdurch soll erreicht werden, dass das Grundstück innerhalb der im Kaufvertrag vereinbarten „Behaltensfrist“ vom Erwerber selbst genutzt und nicht weiter veräußert wird, um so Grundstücksspekulationen einzudämmen. Sollte der Käufer das Grundstück dennoch veräußern, ist bei einer Mehrerlösklausel ein etwaiger Mehrerlös an die Gemeinde abzuführen, bei einer vorteilsunabhängigen Nachzahlungsklausel ein vereinbarter höherer Kaufpreis an die Gemeinde zu zahlen.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 20.04.2018 (V ZR 169/17) nunmehr entschieden, dass vorteilsunabhängige Nachzahlungsklauseln unwirksam sind. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger kaufte mit seiner Ehefrau von der Gemeinde zwei benachbarte Baugrundstücke. Im Grundstückskaufvertrag wurde festgehalten, dass der Kaufpreis dem Marktwert entspricht. Neben einer Bauverpflichtung der Käufer, enthielt der Kaufvertrag auch die in diesem Zusammenhang häufig vereinbarte Verpflichtung, das Wohnhaus ab Bezugsfertigkeit acht Jahre lang selbst zu bewohnen und nicht zu veräußern. Für den Fall des Verstoßes gegen die Selbstnutzungspflicht, verpflichteten sich die Käufer zu einer weiteren pauschalen Zahlung an die Gemeinde. Nach der Scheidung ihrer Ehe veräußerten die damaligen Käufer ihr Grundstück mit dem zwischenzeitlich errichteten Wohnhaus innerhalb der vereinbarten Behaltensfrist. Der von der Gemeinde aufgrund der Nachzahlungsklausel geforderte Betrag von 25,- € pro qm überstieg die zwischenzeitlich eingetretene Wertsteigerung des Grundstücks.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs verstößt die mit der Gemeinde vereinbarte Nachzahlungsklausel gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung und ist demnach unwirksam. Zwar wird der Gemeinde zugestanden, den Käufern Beschränkungen im Kaufvertrag aufzuerlegen, um Grundstücksspekulationen zu verhindern. Die vorteilsunabhängige Nachzahlungsklausel lasse sich jedoch nicht mit dem Zweck der Verhinderung von Grundstücksspekulationen rechtfertigen. Dieses Ziel könne auch erreicht werden, indem sich der Nachzahlungsbetrag nach der tatsächlichen Bodenwertsteigerung bemisst. Der Pflicht zur Zahlung eines hiervon unabhängigen Betrages komme dagegen strafähnlichen Charakter zu und ginge damit über das verfolgte Ziel hinaus.
Zeitlich angemessen befristete, vorteilsabhängige Mehrerlösklauseln in Grundstückskaufverträgen mit Gemeinden dürften demnach allerdings weiterhin wirksam sein (vgl. hierzu z.B. BGH Urteil vom 16.03.2018 – V ZR 306/16).
Carsten Lorenz, Frankfurt am Main
carsten.lorenz@goehmann.de
Buchveröffentlichung Musterfeststellungsklage
Erscheinungsdatum November 2018
Musterfeststellungsklage, Nordholtz/Mekat Hrsg.
Mit der neuen Musterfeststellungsklage können Verfahren gebündelt werden. Die Voraussetzungen für die neue Klageart waren hoch umstritten, die §§ 606-614 extra für diese Klageart neu gefasst. Das neue Recht muss ohne Schonfrist angewandt werden, worauf sich Anwaltschaft, Gerichte und Verbände einzustellen haben.
Das Praxishandbuch Musterfeststellungsklage schafft Orientierung im neuen Recht. Schritt für Schritt erläutert es die vielfältigen Probleme und Fallkonstellationen der neuen Klageart:
- Wer ist klagebefugt, wer zuständig?
- Nach welchen Regeln erfolgt die Durchführung des Musterverfahrens?
- Was bedeutet die gestufte Rechtsdurchsetzung (1. Musterfeststellungsklage, 2. Individualprozess) für den strategischen Umgang mit der neuen Klageart, insbesondere für die Verteidigung der beklagten Unternehmen?
- Wie erfolgt die „richtige“ Umsetzung im Prozess, wie ist das Verhältnis zu den bestehenden Verfahrensregeln (Streitverkündung, ….)?
- Was erwächst wann in Rechtskraft, wer kann sich auf die Ergebnisse berufen?
Schaubilder, Musterformulierungen und strategische Entscheidungshilfen ermöglichen den direkten Einstieg und praxistaugliche Lösungen.
Unter den Autoren:
Dr. Stephan Boese, LL.M. oec., Hannover
stefan.boese@goehmann.de
Dr. Ilka Heigl, Frankfurt am Main
ilka.heigl@goehmann.de
Dr. Christian Nordholtz, Hannover
christian.nordholtz@goehmann.de
Larissa Normann, Frankfurt am Main
larissa.normann@goehmann.de