Newsletter Bau- und Vergaberecht 01/2018
29.01.2018 | Bau - und Architektenrecht
Anerkennen auftragslos erbrachter Leistungen
Der Bauunternehmer hat einen Vergütungsanspruch, wenn der Bauherr auftragslos erbrachte zusätzliche Leistungen nachträglich anerkennt. Um diese Voraussetzung zu bejahen genügt es nicht, dass der Bauherr die Leistung lediglich zur Kenntnis nimmt. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Bauherr die Bauleistung als erforderlich ansieht und billigt (OLG Dresden, Urteil vom 27.04.2017 – 10 U 881/14 – NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 22.11.2017 – VII ZR 125/17).
Bauablaufbezogene Darstellung erforderlich
Wenn ein Bauunternehmen für Bauzeitverzögerungen Ansprüche geltend macht, muss das Bauunternehmen konkret darlegen, wodurch die Bauzeitverzögerungen entstanden sind. Geht es dabei um verzögerte Planlieferungen, muss das Unternehmen darlegen, welche Arbeiten nicht durchgeführt werden konnten und wie sich die verzögerte Planlieferung auf die Baustelle ausgewirkt hat. Der Bauunternehmer kann sich dabei nicht auf allgemeine Erfahrungssätze zurückziehen. Er muss vielmehr eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung vorlegen. Alleine eine längere Tätigkeit oder die nicht gegebene Einsatzmöglichkeit einer Maschine genügen ohne nähere Darlegung dafür nicht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.06.2015 – 14 U 180/13 – NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 17.05.2017 – VII ZR 163/15).
Umplanung zur Kosteneinhaltung ist nicht honorarpflichtig
Die Parteien haben eine verbindliche Baukostenobergrenze vereinbart. Vor Vertragsschluss hatte der Bauherr erklärt, dass nur ein bestimmter Geldbetrag als absolute Obergrenze zur Verfügung steht. Änderungswünsche des Bauherrn haben dazu geführt, dass die Baukostenobergrenze überschritten wird. Der Architekt ist dazu verpflichtet, den Bauherren darauf hinzuweisen. Will der Bauherr an der Änderung festhalten, ist der Architekt verpflichtet, Kompensationen in anderen Baubereichen zu planen. Hierfür steht dem Architekten kein gesondertes Honorar zu. In der HOAI ist keine Anzahl der vom Architekten zu erarbeitenden Konzeptvarianten aufgeführt. Daher muss der Architekt unter Umständen eine Vielzahl von Abwandlungen im Rahmen des vertraglich vereinbarten Leistungsziels erbringen, bis die Lösung gefunden ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 28.11.2017 – 10 U 68/17).
Aufhebung der Ausschreibung bei zu teuren Angeboten
Ein Vergabeverfahren wird mit der Erteilung des Zuschlags beendet. Daneben kann die Vergabestelle die Ausschreibung nach § 17 Abs. 1 VOB/A 2016 aufheben. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet den Zuschlag zu erteilen und den Vertrag zu schließen, wenn die Voraussetzungen nach § 17 gegeben sind. Dort ist geregelt, wann ein Auftraggeber eine Aufhebung kostenneutral vornehmen kann. Eine Aufhebung wegen der Überschreitung des geschätzten Auftragswertes ist rechtmäßig, wenn eine umfassende Interessenabwägung dies ergibt. Dabei sollen den Bauherren keine nicht tragbaren Risiken auferlegt werden, die sich aus einer überhöhten Preisbildung ergeben. Andererseits soll die Aufhebung auch kein Instrument zur Korrektur der Ausschreibungsergebnisse sein (VK Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.08.2017 – VK LSA 54 – 58 ff 17).
Nur teilweise Sektorenauftraggebereigenschaft
Die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Sektorenauftraggeber zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit unterfällt nicht dem allgemeinen Vergaberecht. Ob eine Sektoreneigenschaft gegeben ist, bestimmt sich nach den einzelnen Tätigkeiten eines Auftraggebers und ist daher teilbar (relative Sektorentätigkeit) (VK Baden-Württemberg, Urteil vom 04.12.2017 – 1 VK 47 2 F 17).
vom 5.1.2018 Martin Gehrlein
Schadensersatzanspruch gegen den Bauherrn bei Vertrag zugunsten Dritter
Die Arbeitnehmer eines Bauunternehmers können Direktansprüche gegen den Bauherrn geltend machen, wenn ihnen aufgrund einer schuldhaften Verletzung von Schutzpflichten ein Schaden durch den Besteller entstanden ist. Nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter können keine weiteren Schadensersatzansprüche gegen einen vom Bauherrn beauftragten Dritten geltend gemacht werden (GBH, Urteil vom 07.12.2017 – VII ZR 204/14).
Technische Anlagen können Bauwerk sein
Technische Anlagen können als Bauwerke mit entsprechenden Verjährungsregelungen zu qualifizieren sein. Die technische Anlage muss mit dem Erdboden unmittelbar oder mittelbar über ein Gebäude fest verbunden sein. Es ist nicht erforderlich, dass es sich dabei um einen wesentlichen Bestandteil handelt. Allein entscheidend ist die Verbindung der Anlage mit dem Erdboden oder dem Gebäude derart, dass eine Trennung nur mit größerem Aufwand möglich ist. Daneben muss eine dauernde Nutzung der technischen Anlage beabsichtigt sein. Zu prüfen ist daher, ob der Vertragszweck die Erstellung einer größeren ortsfesten Anlage mit spezifischen Bauwerksrisiken beinhaltet (BGH, Urteil vom 07.12.2017 – VII ZR 101/14).
Ohne Unterschrift keine Honorarvereinbarung
Nach § 7 HOAI ist eine schriftliche Honorarvereinbarung erforderlich. Die Parteien müssen die Vereinbarung unterzeichnen. Das Formerfordernis des § 126 BGB wird durch eine Paraphe oder Kürzel nicht eingehalten. Die Unterschrift muss den Urkundentext räumlich abschließen. Daher reicht auch nicht eine Unterzeichnung an einer beliebigen Stelle (OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2016 – 17 U 81/16 – NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 19.07.2017 – VII ZR 13/17).
Bei Verwendung ungeeigneten Mörtels durch den Sonderfachmann haftet auch der Architekt
Der Bauherr beauftragt neben dem Architekten einen Sonderfachmann mit der Planung und Erstellung eines Sanierungskonzepts. Dazu gehört auch die Entwicklung eines geeigneten Mörtels. Der mit der Planung der Sanierungsarbeiten und ihrer Überwachung beauftragte Architekt haftet wegen der Ungeeignetheit des Mörtels, wenn er im Rahmen seines Auftrags an der Auswahl des Mörtels mitgewirkt hat (OLG Frankfurt, Urteil vom 10.11.2015 – 15 U 82/15 – NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 30.08.2017 – VII ZR 295/15).
Kein Zuschlag bei nicht realisierbarer Leistungsbeschreibung
Wenn eine Leistungsbeschreibung Vorgaben enthält, die nicht zu erfüllen sind, kann die Vergabestelle keinen Auftrag erteilen. Es kann dahinstehen, ob Angebote abgegeben wurden und ob diese mit weiteren Mängeln versehen sind (VK Westfalen, Beschluss vom 04.12.2017 – VK 1-31/17).
Referenzen für Natursteinarbeiten im Außenbereich müssen einschlägig sein
Die Ausschreibung sieht vor, dass Natursteinarbeiten im Außenbereich mit einer Fläche von 300 qm auszuführen sind. Dazu sollten die Bieter Referenzen vorlegen. Eine Referenz über Arbeiten im Innenbereich eines Parkhauses genügt den Vorgaben nicht, so dass das Angebot ausgeschlossen werden kann (VK Bund, Beschluss vom 17.11.2017 – VK 2-122/17).
vom 12.01.2018 Martin Gehrlein
Hinweispflicht bei zu geringem Gefälle
Ein Tiefbauunternehmer, der einen Abwasseranschluss errichten soll, muss anhand der DIN-Normen überprüfen, ob eine fachgerechte Verlegung der Schmutzwasserleitungen und Schächte möglich ist, um die Abflussgeschwindigkeit einzuhalten. Unterlässt der Unternehmer einen Hinweis auf nicht zureichende Gefälle, ist er haftbar (OLG Schleswig, Beschluss vom 09.11.2017 – 7 W 40/17).
Bürge kann sich bei Inanspruchnahme auf Vereinbarungen der Bauvertragsparteien berufen
Die Bürgin wird von dem Bauherrn in Anspruch genommen. Der Bauherr und das ausführende Unternehmen haben ein Stillhalteabkommen getroffen. In diesem Fall kann sich die Bürgin darauf berufen und die Inanspruchnahme verweigern (BGH, Urteil vom 28.11.2017 – XI ZR 211/16).
Anspruchsvolle Bedienung von Fenstern ist ein Mangel
Der Unternehmer hat raumhohe Fensterelemente eingebaut. Die Beschläge verlangen eine anspruchsvolle Bedienungsweise. Es gibt einen großen und wechselnden Benutzerkreis für das Gebäude. Dadurch kommt es zu Fehlgebrauch und laufenden Reparaturen. Darin ist ein Mangel der Fenster zu erblicken (KG, Urteil vom 29.12.2017 – 21 U 120/15)
Keine Nachforderung von Preisangaben
Wenn eine Preisangabe nach § 56 Abs. 3 Satz 2 VgV wesentlich ist und fehlt, kann sie nicht nachgefordert werden. Solche Angebote sind zwingend aus der Wertung zu nehmen (VK Nordbayern, Beschluss vom 21.08.2017 – 21.VK-3194-18/17).
Anforderung von Datenblättern zulässig
Die Vergabestelle hat produktneutral ausgeschrieben. Im Rahmen der inhaltlichen Aufklärung nach § 15 EU Abs. 1 VOB/A 2016 darf die Vergabestelle Produktblätter nachfordern, um sich über die angebotene Leistung zu informieren (VK Westphalen, Beschluss vom 26.10.2017 – VK 1-21/17).
vom 19.01.2018 Martin Gehrlein
„Regelmäßiges Ausfallen“ einer technischen Anlage genügt als Symptombeschreibung
Nach der Symptomrechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Bauherr seinem Mangelbeseitigungsverlangen, wenn er die Erscheinung beschreibt, die den Mangel darstellt. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Bauherr die Mangelursache beschreibt. Das regelmäßige Ausfallen einer Klimaanlage reicht als Mangelbeschreibung aus (BGH, Beschluss v. 14.12.2017 – VII ZR 217/15).
Witterungsrisiko trägt das Bauunternehmen
Das Bauunternehmen trägt vor Abnahme des Werks die Sachgefahr nach § 644 Abs. 1 BGB. Dazu gehört auch das Risiko schlechten Wetters (OLG Frankfurt, Urteil vom 29.05.2015 – 24 U 7/15 – NZB zurückgenommen, BGH, Beschluss vom 30.08.2017 – VII ZR 138/15).
Einstellung der Bautätigkeit, keine Erfüllungsverweigerung bei Zahlungsverzug
Wenn ein Bauunternehmen die Fortführung der Arbeiten einstellt, weil der Bauherr mit Werklohnzahlungen in Verzug geraten ist, stellt dies keine Erfüllungsverweigerung dar. Dies gilt auch dann, wenn der Bauunternehmer erklärt, dass er wegen des Zahlungsverzugs keine weiteren Arbeiten mehr erbringt. Darin ist nicht die Erklärung zu erblicken, dass der Bauunternehmer eine Mangelbeseitigung endgültig und ernsthaft ablehnt (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.09.2016 – 13 U 128/15, NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 02.08.2017 – VII ZR 284/16).
Bauträgerrecht bei Kauf einer zu sanierenden Altbauwohnung
Wenn sich die Vertragsparteien über den Erwerb einer zu sanierenden Altbauwohnung verständigen und einen entsprechenden Kaufvertrag schließen, gilt für die finanzielle Abwicklung § 3 Abs. 2 MaBV, da es sich um einen Bauträgervertrag handelt (OLG Celle, Urteil v. 30.10.2014 – 16 U 90/14 – NZB zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 05.07.2017 – VII ZR 315/14).
Ausschluss bei nicht fristgerechter Antwort
Die Vergabestelle hat den Bieter aufgefordert, Fragen zu seinem Angebot zu beantworten. Dies erfolgte im Rahmen einer zulässigen Aufklärung. Die Beantwortung erfolgte nicht innerhalb der gesetzten Frist. Daher ist das Angebot nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A 2016 auszuschließen. Dies gilt auch dann, wenn noch ein Bietergespräch angesetzt war. (OLG Koblenz, Beschluss vom 04.01.2018 – Verg 3/17).
Mitarbeit bei der Vergabestelle kein Vergaberechtsverstoß
Der Bieter kann Personen, die beim öffentlichen Auftraggeber und bei einem an der Ausschreibung beteiligten Bieter tätig waren, beschäftigen. Ein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb liegt nur dann vor, wenn der Wettbewerb konkret durch den ausgeschriebenen Auftrag betroffen ist. Nicht ausreichend ist es, wenn der Mitarbeiter bei der Vergabestelle Wissen gesammelt hat und mit der Tätigkeit der Vergabestelle vertraut ist (VK Westfalen, Beschluss v. 29.11.2017 – VK 1 – 33/17).