Newsletter Bau- und Vergaberecht 02/2022
25.01.2022 | Bau- und Vergaberecht
Bei Einzelgewerk kein Verbraucherbauvertrag
Ein Verbraucherbauvertrag nach § 650 i Abs. 1 BGB erfordert erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude. Das Auftragsvolumen soll dem über einen Vertrag über die Errichtung eines Neubaus gleichkommen. Ferner muss der Verbraucher einen einzigen Unternehmer für die von ihm geplante Baumaßnahme beauftragt haben (Kammergericht, Urteil vom 16.11.2021 – 21 U 41/21).
Bei Mangelrüge vor Abnahme fiktive Abnahme möglich
Die fiktive Abnahme ist in § 640 Abs. 2 BGB geregelt. Fordert der Werkunternehmer, dem keine erheblichen Mängel des Werks bekannt sind, zur Mangelbeseitigung auf, erfolgt die Abnahme, auch wenn der Besteller zuvor Mängel des Werks gerügt hat (OLG Schleswig, Urteil vom 10.12.2021 – 1 U 64/20).
Bauherr haftet nicht für Drittgewerke
Bis zur Abnahme trägt der Unternehmer die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung des Werks. Beschädigt ein vom Bauherrn beauftragter Drittunternehmer das Werk des Auftragnehmers, kann der Auftragnehmer vom Auftraggeber keine Mehrvergütung für erforderlich werdende Nach- oder Reparaturarbeiten verlangen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.04.2020 – 5 U 131/18 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 24.02.2021 – VII ZR 72/20).
Auftrag für Grundleistungen beinhaltet keine besonderen Leistungen
Häufig wird in Architektenverträgen auf die Leistungsbilder und die Leistungsphasen der HOAI Bezug genommen. Die so beschriebenen Leistungen nach HOAI werden damit zur vertraglichen Leistungspflicht. In diesem Falle sind die vertraglich geschuldeten Leistungen des Architekten auf der Grundlage der HOAI auszulegen. Wird der Architekt nun mit allen Grundleistungen beauftragt, gehören besondere Leistungen nicht zu dem beauftragten Leistungsumfang. Die Überwachung einer Dachkonstruktion stellt eine solche besondere Leistung dar. Ohne besondere Beauftragung ist der Architekt nicht zur Bauüberwachung der Dachkonstruktion verpflichtet (OLG München, Beschluss vom 28.05.2019 – 28 U 3553/18 BAU – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 19.08.2021 – VII ZR 135/19).
Planungsfehler, wenn Oberflächenwasser nicht abfließt
Ein Bauwerk muss vor zulaufendem Oberflächenwasser geschützt werden. Der Architekt muss sich mit den Geländeverhältnissen im Rahmen der Grundlagenermittlung und spätestens bei der Vorplanung befassen. Sind auf den Nachbargrundstücken Aufschüttungen vorhanden, die dazu führen können, dass Oberflächenwasser auf das Baugrundstück zufließt, ist der Architekt verpflichtet, Lösungswege aufzuzeigen, um einen Schutz gegen das zulaufende Oberflächenwasser zu erzielen. Ggf. hat er auf die Einschaltung eines Sonderfachmanns hinzuweisen (OLG München, Beschluss vom 09.07.2020 – 28 U 3243/19 BAU – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 19.08.2021- VII ZR 126/20).
Pauschalpreisnebenangebot bei Einheitspreisausschreibung unzulässig
Nebenangebote können nach § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2019 im Rahmen einer Vergabe oberhalb der Schwellenwerte nur dann gewertet werden, wenn sie von der Vergabestelle ausdrücklich zugelassen worden sind. Für den Bieter muss sich aus den Ausschreibungsbedingungen hinreichend klar ergeben, ob und wenn ja, in welchem Umfang die Vergabestelle Nebenangebote zulassen will. Ist die Ausschreibung als Einheitspreisvertrag konzipiert, ist die Abgabe eines Pauschalpreisnebenangebots nicht zulässig, wenn die Vergabestelle in der Ausschreibung mit dem Formblatt 211 – EU nur für einzelne Titel technische Nebenangebote zugelassen hat (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2021 – 11 Verg 4/21).
Konkrete Auseinandersetzung mit den Angebotspreisen bei niedrigem Angebot
Wenn zwischen dem erstplatzierten und dem zweitplatzierten Bieter eine Differenz von mehr als 20% besteht, muss die Vergabestelle die Preisbildung prüfen. Dazu bedarf es einer gesicherten Tatsachengrundlage für die Feststellung, dass das Angebot entweder angemessen ist oder ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Neben rechnerischen Unklarheiten sind auch sonstige preisrelevante Inhalte des Angebots zu prüfen. Nach erfolgter Vorlage der Unterlagen über die Preisermittlung durch den Bieter muss die Vergabestelle sich konkret mit den Angaben des Bieters im Sinne einer Überprüfung auseinandersetzen (VK Bund, Beschluss vom 15.11.2021 – VK 1 – 112/21).