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Newsletter Bau- und Vergaberecht 11/2024

13.03.2024 | Bau- und Vergaberecht

Vorkalkulatorische Preisfortschreibung bei entsprechender Vereinbarung:

Nach der geänderten Rechtsprechung sind bei geänderten Leistungen etc. die tatsächlichen oder üblichen Kosten zugrunde zu legen. Die Parteien eines VOB-Vertrages können allerdings übereinstimmend davon ausgehen, dass neue Einheitspreise bei Mengenänderungen durch die vorkalkulatorische Fortschreibung ermittelt werden. Ist dies vereinbart, ist auch das Gericht daran gebunden. In diesem Fall ist der Preis für die Mehrmengen nicht aus den Preisen herzuleiten, die der Auftragnehmer mit seinem Nachunternehmer tatsächlich vereinbart hat. Die Ermittlung ist so vorzunehmen, wie wenn zur Zeit der Angebotsabgabe die erhöhte Ausführungsmenge bekannt gewesen und der Einheitspreis auf dieser Grundlage kalkuliert worden wäre.

Der Auftragnehmer ist in diesem Falle verpflichtet, dem Auftraggeber die Urkalkulation vorzulegen (OLG Hamm, Urteil vom 02.12.2021 – 21 U 68/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 06.12.2023 – VII ZR 6/22).

Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung:

Der Auftragnehmer kann die Leistung eines Vorschusses verweigern, wenn die Nachbesserung unverhältnismäßige Kosten verursacht. Maßgeblich ist nicht die Höhe der Mangelbeseitigungskosten und auch nicht das Verhältnis der Nachbesserungskosten zu den ursprünglichen Herstellungskosten. Maßgeblich ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall. Der Aufwand für die Mangelbeseitigung ist dem Interesse des Auftraggebers an der Mangelbeseitigung gegenüberzustellen. Unverhältnismäßig ist die Mangelbeseitigung dann, wenn das Bestehen auf Mangelbeseitigung durch den Bauherrn einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Dabei sind das objektive Interesse an der Mangelbeseitigung dem Aufwand unter Abwägung aller Umstände gegenüberzustellen (OLG Frankfurt, Urteil vom 26.03.2021 – 13 U 347/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 02.08.2023 – VII ZR 315/21).

Umgestaltungsinteresse tritt hinter Urheberrecht zurück:

Die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder einer anderweitigen Bebauung des Grundstücks ist dem Interesse des Urhebers am Erhalt des Werkes gegenüberzustellen und es ist eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass eine anderweitige Nutzung oder Bebauung dem Interesse des Urhebers vorgeht. Das Erhaltungsinteresse des Urhebers kann allerdings dem Interesse der Gemeinde an einer Umgestaltung eines Platzes für eine geänderten Nutzung vorgehen, solange die Gemeinde keine Planung und endgültige Platzgestaltung erstellt hat (OLG Celle, Urteil vom 27.02.2024 – 13 U 57/23).

Keine Beauftragung der Leistungsphasen 7 und 8 bei Vorstrafen wegen Bestechlichkeit:

Wenn der Vertragsgegenstand Leistungen der Leistungsphasen 7 und 8 nach HOAI sind, kann eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit die Auftragserteilung verhindern. Zwar genügt die Vorbestraftheit einer Person unabhängig vom konkreten Tatvorwurf für sich genommen nicht, um berechtigte und schwerwiegende Zweifel an der Eignung zu begründen. Anders ist es jedoch, wenn es sich um einschlägige Vorstrafen handelt, so dass die Vorstrafe gerade für die zu beauftragende Leistung ein Eignungsdefizit in dem Persönlichkeits- und Anforderungsprofil offenbart (Kammergericht, Beschluss vom 22.05.2023 – 7 U 4/23 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 11.10.2023 – VII ZR 129/23).

Handwerkskammer ist kein öffentlicher Auftraggeber:

Die Einordnung als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des §§ 99 Nr. 2 GWB bedingt, dass der Auftraggeber einer qualifizierten staatlichen Einflussnahmemöglichkeit unterliegt. Dies gilt für eine Handwerkskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 08.02.2024 – 54 Verg 7/23).

Keine Änderung der Vergabeunterlagen bei offenkundigem Rechenfehler:

Der öffentliche Auftraggeber kann bei offenkundigen oder marginalen Eintragungsfehlern die notwendigen Berichtigungen selbst vornehmen, wenn er sich dazu in der Lage sieht. Ihrem Erklärungsinhalt nach sind offenkundige Rechenfehler oder Schreibfehler keine inhaltlichen Änderungen der Vergabeunterlagen. Sie sind nicht als unzulässige Änderung zu qualifizieren. Daher kann auch kein Ausschluss erfolgen (VK Thüringen, Beschluss vom 10.05.2023 – 4002-812-2023-E-003-SM).

 

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