Newsletter Bau- und Vergaberecht 19/2024
14.05.2024 | Bau- und Vergaberecht
Kündigung aus wichtigem Grund bei unberechtigter Arbeitseinstellung:
Wenn der Vertragszweck durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers so gefährdet wird, dass dem Bauherrn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, weil hinreichender Anlass für die Annahme besteht, der Auftragnehmer werde sich auch künftig nicht vertragstreu Verhalten, kann der Bauherr aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen. Der Anlass für die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses kann sich aus einer Reihe von Pflichtverletzungen ergeben, die in ihrer Gesamtheit schwerwiegend sind oder aus einer einzelnen besonders schwerwiegenden Vertragspflichtverletzung. Der Auftragnehmer verstößt gegen seine Verpflichtung, die Baumaßnahme zu fördern und umgehend Abhilfe zu schaffen, wenn die Arbeiten ins Stocken geraten, weil der Arbeitnehmer die Tätigkeit auf der Baustelle ohne berechtigten Grund einstellt. Dabei ist irrelevant, ob ein ursprünglicher Terminplan noch Bestand hat oder der Auftraggeber den Terminplan verworfen hat (OLG Hamburg, Urteil vom 17.11.2022 – 4 U 110/22 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 31.01.2024 – VII ZR 242/22).
Umfang der Vollmacht eines WEG-Verwalters muss der Handwerker nicht positiv kennen:
Ein Wohnungseigentumsverwalter ist zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums verantwortlich und muss die erforderlichen Maßnahmen im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft treffen. Allerdings gilt dies nicht für außergewöhnliche, nicht dringende Instandsetzungsarbeiten größeren Umfangs wie eine Dachsanierung.
Auch wenn in der Teilungserklärung geregelt ist, dass der Wohnungseigentumsverwalter berechtigt ist, die Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich in allen Angelegenheiten der Verwaltung zu vertreten und im Rahmen seiner Verwalteraufgaben Verträge abzuschließen und andere Rechtshandlungen vorzunehmen, führt dies nicht zu einer Vertretungsmacht für den Vertragsabschluss einer nicht beschlossenen Dachsanierung.
Wenn der Verwalter trotzdem im Namen der Eigentümergemeinschaft mit einem Unternehmen einen Bauvertrag schließt, ist er dem Unternehmen zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die Eigentümergemeinschaft die Genehmigung des Vertrags verweigert. Einem Handwerker muss nicht bekannt sein, dass ein WEG-Verwalter nicht dazu berechtigt ist, im Namen der Eigentümergemeinschaft Bauverträge über Dachsanierungsarbeiten zu schließen (OLG München, Urteil vom 02.08.2023 – 27 U 2547/22 Bau).
Abnahme der Architektenleistungen bei Einzug:
Eine Abnahme kann durch einen typischen Sachverhalt angenommen werden, bei dem von einer konkludenten Abnahme auszugehen ist. Dies gilt für den Einzug und die Nutzung eines Gebäudes. Die Ausführung von Restarbeiten und das Vorliegen einzelner Mangelrügen steht einer solchen konkludenten Abnahme nicht zwingend entgegen, vielmehr ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (OLG Köln, Beschluss vom 02.03.2023 – 19 U 55/22 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 08.11.2023 – VII ZR 54/23).
Baukunstwerk Öffentlicher Platz:
Die im Urheberrecht vorausgesetzte Individualität kann auch ein Platz als Werk der Baukunst haben. Das Bauwerk darf sich nicht nur als Ergebnis rein handwerklicher oder routinemäßiger Tätigkeiten ergeben, sondern muss aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens herausragen. Dies ist die für eine persönlich geistige Schöpfung notwendige Individualität. Eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung kann der Urheber verbieten, wenn diese geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Bei einer relevanten Beeinträchtigung ist die Gefährdung der geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers mit den kollidierenden Eigentümerinteressen im Wege der Abwägung der jeweils betroffenen Interessen in Ausgleich zu bringen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.01.2024 – 20 U 36/23).
Abweichung von Vergabeunterlagen nicht durch Generalklausel geheilt:
Wenn ein Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht, ist es zwingend auszuschließen. Eine generalklauselartige Versicherung des Bieters, wonach das Angebot die Anforderungen erfüllt, die in den Vergabeunterlagen und den Bekanntmachungen enthalten sind, kann die Abweichung von den Vergabeunterlagen nicht teilen (VK Bund, Beschluss vom 04.03.2024 – VK 1-16/24).
Ins Blaue hinein ist ein Ausschluss unberechtigt:
In der Wertungsphase des laufenden Vergabeverfahrens sind Teilnahmeanträge, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind, von der Wertung ausgeschlossen. Eine Ausschlussentscheidung bei Nichteinhaltung von besonderen Vertragsbedingungen ist möglich und geboten, wenn konkrete Tatsachen festgestellt werden, die den Rückschluss auf die beabsichtigte zukünftige Nichteinhaltung mit der Angebotsabgabe eingegangener Verpflichtungen zulassen. Dabei darf der öffentliche Auftraggeber seine Entscheidung nicht auf bloße und ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen oder Verdachtsumstände stützen (VK Bund, Beschluss vom 12.04.2024 – VK 1-89/23).