Newsletter Bau- und Vergaberecht 20/2023
06.07.2023 | Bau- und Vergaberecht
Darlegung zum anderweitigen Erwerb bei freier Kündigung:
Nach einer freien Kündigung hat der Auftragnehmer Anspruch auf volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen. Anderweitigen Erwerb muss er sich Anspruchs mindernd zurechnen lassen. Der Umfang der Darlegungslast zum anderweitigen Erwerb richtet sich nach dem konkreten Streitfall. Danach kommt es darauf an, was im Einzelfall darzulegen ist. Dem in Anspruch genommenen Bauherren muss eine sachgerechte Rechtswahrung ermöglicht werden. Der Auftragnehmer muss dazu vortragen, inwieweit Füllaufträge erlangt worden sind oder er es böswillig unterlassen hat, einen solchen zu erlangen. Der Auftragnehmer muss wahrheitsgemäß, nachvollziehbar und ohne Widersprüche zu den Vertragsumständen Stellung nehmen. Dabei müssen die Angaben umso ausführlicher sein, je wahrscheinlicher ein anderweitiger Erwerb ist. Der Bauherr kann dabei nicht verlangen, dass der Auftragnehmer seine Geschäftsstruktur offenlegt, um eine Beurteilung zu ermöglichen, welche Aufträge ohne die Kündigung hätten akquiriert werden können (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2023 – VII ZR 150/22).
Auftragnehmer kann sich für Mangelbeseitigung oder Neuherstellung entscheiden:
Der Auftragnehmer schuldet die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf einem Flachdach. Das Dach ist für die Errichtung einer solchen Anlage nicht geeignet. In diesem Falle hat der Auftragnehmer die Wahl zwischen Mangelbeseitigung und Neuherstellung, § 635 Abs. 1 BGB. Dies gilt auch bei einem VOB-Vertrag. Allerdings muss die Nacherfüllung auch geeignet sein, um den Mangel zu beseitigen (Landgericht Amberg, Urteil vom 24.04.2023 – 14 O 322/21).
Ein neuer Auftrag kann ein Füllauftrag sein:
Im Falle einer Kündigung hat der Architekt Anspruch auf volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen. Anderweitigen Erwerb muss er sich anspruchsmindernd zurechnen lassen. Erhält der Auftragnehmer einen neuen Planungsauftrag, der nach der Kündigung den alten Auftragsumfang und einen erweiterten Auftragsumfang erfasst, ist dieser Folgeauftrag als Füllauftrag anzusehen. Er ist als anderweitiger Erwerb anzurechnen (OLG Naumburg, Urteil vom 24.11.2022 – 2 U 180/21).
Anwaltliche Beratung der Vergabestelle bei ungeklärter Rechtsfrage erforderlich:
Bei vergaberechtlichen Angelegenheiten, die einfachere und auftragsbezogene Rechtsfragen auf Grundlage geklärter Rechtsgrundsätze betreffen, ist die Zuziehung anwaltlichen Rats nicht erforderlich. Geht es jedoch um nicht einfache und rechtlich noch ungeklärte und dem typischen Vergaberecht nicht zuzurechnende Rechtsfragen, spricht dies für die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 26.05.2023 – Verg 17/22).
Fehlen einer fehlerhaften Eigenerklärung:
Eine fehlerhafte Eigenerklärung kann nicht zur Grundlage der Eignungsprüfung gemacht werden. Vielmehr ist infolge einer objektiv fehlerhaften Eigenerklärung die Eigenerklärung nicht nachgewiesen und das Angebot nach § 57 Abs. 1 Halbsatz 1 VGV zwingend auszuschließen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 26.05.2023 – Verg 2/23).
Stromkabelschaden durch Straßenbau kein Amtshaftungsdelikt:
Die öffentliche Hand vergibt Straßenbauarbeiten. Es sollen Schutzplanken montiert werden. Das Privatunternehmen erbringt die Leistungen. Die Firma handelt nicht in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes, wenn die der Daseinsvorsorge dienenden Montagearbeiten von der Firma in einem eigenen Ausführungsspielraum erbracht werden und der hoheitliche Charakter nicht im Vordergrund steht. Bei schuldhafter Beschädigung fremder Versorgungsleistungen durch Rammarbeiten haftet das Privatunternehmen nach § 823 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 13.04.2023 – III ZR 215/21).