Newsletter Bau- und Vergaberecht 20/2024
05.06.2024 | Bau- und Vergaberecht
Zwei Werktage Nachfrist zu kurz:
Die Kündigung eines VOB/B-Vertrages erfolgt berechtigt, wenn der Bauherr dem Auftragnehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt und für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Frist die Vertragskündigung angedroht hat. Die Länge der Frist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Bauvertragsparteien. Für einen leistungsbereiten und leistungsfähigen Auftragnehmer muss die Frist im Hinblick auf die durchzuführenden Bauleistungen so bemessen sein, dass sie bei größter Anstrengung einhaltbar ist. Eine Nachfristsetzung von 5 Tagen, die nur 2 Werktage beinhaltet, ist nicht angemessen (OLG Oldenburg, Urteil vom 14.07.2022 – 14 U 54/18 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 13.03.2024 – VII ZR 143/22).
Belehrung auch für den rechtskundigen Verbraucher:
Werden die für den Vertragsschluss konstitutiven Willenserklärungen per E-Mail ausgetauscht, handelt es sich um einen Vertrag über Planungsleistungen als Fernabsatzvertrag. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach Vertragsabschluss ein gemeinsamer Ortstermin stattgefunden hat. Über das Widerrufsrecht ist ein Verbraucher zu belehren, auch wenn dieser als Rechtsanwalt rechtskundig ist, denn eine Differenzierung nach Art des Verbrauchers sieht das Gesetz nicht vor (Landgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 02.04.2024 – 2-31 O78/23).
Bei verspäteter Küchenmontage kein Nutzungsausfall:
Es soll keinen Vermögensschaden darstellen, wenn die Nutzungsmöglichkeit einer nicht gelieferten Küche nicht gegeben ist. Ein Gebrauchsvorteil kann nur dann entzogen werden, wenn die Sache existiert und dem Nutzungsberechtigten vorenthalten wird (Landgericht Lübeck, Urteil vom 20.02.2024 – 10 O 91/23 unter Beachtung der hierzu ergangenen widerstreitenden Rechtsprechung).
Gefahrerhöhung durch Vergraben des Hausanschlusskastens:
Eine Haftung des Bauherren, des Architekten und des ausführenden Unternehmens für einen Arbeitsunfall kann begründet sein, wenn es erst Jahre später bei weiteren Bauarbeiten zu dem Unfall kommt. Dies ist etwa der Fall, wenn bei Abbrucharbeiten ein stromführendes Bauteil im Keller belassen und der Keller verfüllt wird. Mit dem Verkauf des Grundstücks endet die Verantwortlichkeit weder für den Bauherrn noch für die Architekten und die Unternehmer mit dem Abschluss der Arbeiten, wenn die Gefahr fortbesteht und die Verantwortlichkeit nicht durch entsprechende Informationen an die betroffenen Dritten übertragen wird und die Gefahr nicht ohne weiteres im Erdboden erkennbar war (OLG Stuttgart, Urteil vom 26.03.2024 – 10 U 103/23).
Abweichung von den Vergabeunterlagen nicht durch Generalklausel heilbar:
Die generalklauselartige Formulierung des Bieters, wonach das Angebot alle Anforderungen erfüllt, die in den Vergabeunterlagen und der Bekanntmachung enthalten sind, kann Abweichungen von den Vergabeunterlagen nicht heilen, wenn der Bieter nicht das anbietet, was ausgeschrieben ist (VK Bund, Beschluss vom 04.03.2024 – VK 1 – 16/24).
Ausschluss bei mangelhafter Ausführung eines Vorauftrages:
Ein Ausschluss von einem Vergabeverfahren kann erfolgen, wenn der Bieter wesentliche Anforderungen bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat, wenn dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu vergleichbaren Rechtsfolgen geführt hat. Eine mangelhafte Erfüllung ist umfassend im Sinne einer nicht vertragsgerechten Erfüllung zu verstehen und erfasst vertragliche Hauptpflichten wie auch Nebenpflichten. Wenn die mangelhafte Leistung den öffentlichen Auftraggeber in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht deutlich belastet, liegt eine erhebliche Vertragspflichtverletzung vor. Eine solche wesentliche vertragliche Pflichtverletzung kann in einem Lieferausfall oder in einem Leistungsausfall zu erblicken sein, wobei ein Verstoß gegen wesentliche Nebenpflichten genügen kann, so dass als vergleichbare Rechtsfolge der Rücktritt, eine Ersatzvornahme nach erfolgloser Fristsetzung, eine Minderung der Vergütung und das Verlangen nach umfangreicher Nachbesserung in Betracht kommen. Eine gerichtliche Bestätigung der aus der Vertragspflichtverletzung gezogenen Rechtsfolge ist nicht erforderlich (VK Bund, Beschluss vom 29.02.2024 – VK 1 – 12/24).