Newsletter Bau- und Vergaberecht 28/2022
03.08.2022 | Bau- und Vergaberecht
28/2022 02.08.2022
Keine Hinweispflicht auf offenkundige Kontamination
In dem Leistungsverzeichnis wird deutlich darauf hingewiesen, dass der zurückzubauende Beton kontaminiert ist. In diesem Fall sind die mit der Entsorgung verbundenen Kosten Bestandteile des Einheitspreises (OLG Dresden, Urteil vom 16.06.2020 – 6327/20 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 26.01.2022 – VII ZR 107/30).
Abnahme trotz Restarbeiten
Die Abnahme hat zu erfolgen, wenn das Werk vertragsgemäß hergestellt ist. Unwesentliche Mängel und einzelne Restarbeiten hindern die Abnahme nicht. Dies gilt auch für den Fall, dass der Bauherr Bedenken gegen einen Teil der Leistungen angemeldet hatte. Erforderlich ist, dass die Gesamtleistung im Wesentlichen vertragsgemäß ist (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.04.2019 – 11 U 61/13 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 05.05.2021 – VII ZR 105/19)
Formalien bei Vertrag mit Kirchengemeinde
Die Beauftragung eines Architekten durch eine Kirchengemeinde muss nach den einschlägigen Formalien durch die zuständigen Organe erfolgen. Dies folgt aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung. Dieses Interesse hat Vorrang vor einem etwaigen Vertrauensschutz des Architekten. Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob dem Architekten die Vorschriften bekannt sind. In diesem Fall können kostenauslösende Architektenleistungen durch Gespräche mit der Denkmalschutzbehörde oder dem Brandschutz nicht im Interesse des Auftraggebers sein. Ist dem Architekten zudem bekannt, dass die Handelnden nicht berechtigt waren, ihn zu beauftragen, scheidet auch ein Bereicherungsanspruch aus (Landgericht Berlin, Urteil vom 14.06.2022 – 34 U 69/20).
Anerkannte Regeln der Technik sind bei der Planung zu beachten
Ohne besondere vertragliche Vereinbarung hat die Planung als Mindeststandard den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen. Damit entspricht die Planung den Regeln der Baukunst. Der Architekt muss die richtigen Baumaterialien auswählen und bei Alternativen den sichersten Weg gehen. Eine Planung unter Missachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik führt zu einem Mangel des Architektenwerks, wenn der Architekt den Bauherrn nicht ausdrücklich und nachhaltig über Art und Umfang möglicher Folgen aufgeklärt hat (Kammergericht, Urteil vom 25.09.2020 – 21 U 39/14 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 13.10.2021 – VII ZR 175/20)
Auftragswert muss richtig geschätzt werden
Der öffentliche Auftraggeber hat bei der Schätzung des Auftragswerts einen Beurteilungsspielraum. Die Prüfung ist dabei auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität beschränkt. Eine Kostenschätzung ist nur dann zu beanstanden, wenn diese beurteilungsfehlerhaft auf erkennbar unrichtigen Daten beruht, zur Verfügung stehende Daten oder eine vorhersehbare Kostenentwicklung unberücksichtigt geblieben sind oder ungeprüft und Pauschalwerte übernommen wurden. Die Schätzung des Auftragswertes muss eine ernsthafte, realistische, vollständige und objektive Prognose sein, die sich an den Marktgegebenheiten orientiert (VK Bund, Beschluss vom 04.07.2022 – VK 2 – 58/22).
Leistungsfähigkeit des Bieters kann überprüft werden
Die Vergabestelle muss grundsätzlich nicht prüfen, ob der Bieter die vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werde. Grundsätzlich darf sich die Vergabestelle auf das Leistungsversprechen der Bieter verlassen. Dies gilt auch bei einer in großen Teilen funktionalen Leistungsbeschreibung, nach der der Bieter bestimmte Aufgaben planerisch lösen muss. Wenn ein Bieter sich auf eine bestimmte Ausführungsvariante festlegt und ein Mitbewerber dagegen konkrete, substantiierte und auf den Einzelfall bezogene Einwände vorträgt, die die Leistungsfähigkeit des Bieters als zweifelhaft erscheinen lassen, muss die Vergabestelle bereit und in der Lage sein, die Leistungsfähigkeit des Bieters effektiv zu überprüfen. In der Wahl der Überprüfungsmittel ist die Vergabestelle frei und nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt. Die Überprüfung muss jedoch geeignet und frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen werden (VK Südbayern, Beschluss vom 30.05.2022 – 3194.Z3–301–21–61).