Newsletter Bau- und Vergaberecht 28/2023
17.08.2023 | Bau- und Vergaberecht
Keine Abwälzung der Prüfpflicht des Bauunternehmers
Ein Bauunternehmer muss seiner Prüf- und Hinweispflicht unabhängig und selbstständig nachkommen. Er kann sich nicht auf die Sachkenntnisse des Architekten oder Statikers verlassen, soweit Umstände betroffen sind, die den Erfolg seiner eigenen Werkleistung gefährden könnten. Konkret ging es um die Frage, ob ein Bauunternehmer sich auf die Funktionalität unterbrochener Ringanker verlassen durfte, weil diese vom Architekten und vom Statiker angeordnet wurden. Dies verneinte das Gericht. Einem Rohbauunternehmer müsse bekannt sein, dass Ringanker ihre Funktion nur erfüllen können, wenn sie durchgehend sind. Für die Funktionalität der Ringanker müsse der Unternehmer unabhängig von vorausgegangenen Anordnungen einstehen. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.07.2021 – 4 U 126/14)
Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit besteht auch nach zwischenzeitlicher Kündigung des Bauvertrages
Der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 650f Abs. 1 BGB geht auch nach Kündigung des Vertrages nach § 650f Abs. 5 S. 1 BGB nicht unter. Ziel des § 650f BGB, wie auch der Vorgängervorschrift des § 648a BGB, sei die frühzeitige Sicherung des Unternehmers in Hinblick auf Vergütungsansprüche auch im Fall einer Insolvenz des Bestellers. Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, wenn der Anspruch auf Sicherheitsleistung nach Ausübung des Kündigungsrechts nach § 650f Abs. 5 BGB erlöschen würde. Denn dann hätte der Besteller es in der Hand, den bestehenden Sicherungsanspruch durch Verweigerung der Sicherheitsleistung bis zur Kündigung durch den Unternehmer zu verhindern und den Zweck des Sicherungsverlangens und den tatsächlich bestehenden Anspruch auf Sicherheit auszuhöhlen. Der Besteller könnte auf diese Weise die Verpflichtung zur Leistung einer Sicherheit abschließend umgehen. (OLG München, Beschluss vom 03.08.2023 – 28 U 1119/23 Bau)
Einstandspflicht des Architekten für Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben
Der Architekt muss in der Entwurfs- und Ausführungsplanung detaillierte Vorgaben machen und dafür sorgen, dass die Anforderungen des öffentlichen Baurechts eingehalten werden, weil die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben primär die Aufgabe des mit der Ausführungsplanung beauftragten Planers ist. Die Planung muss vollständig sein und muss alle für die Ausführung notwendigen Angaben enthalten. Der Planer darf sich nicht darauf verlassen, dass diese Vorschriften von den mit der Schal- und Bewehrungsplanung beauftragten Ingenieuren oder gar von dem mit der Bauausführung beauftragten Unternehmen eingehalten werden. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.2022 – 22 U 67/21)
Voraussetzungen der Einhaltung der geforderten Textform eines Angebots
Für die Einhaltung der Textform eines Angebots wird vorausgesetzt, dass die Person des Erklärenden erkennbar und die Erklärung abgeschlossen ist. Für die Erkennbarkeit ist es gleichgültig, wo der Name des Erklärenden genannt wird. Neben der Nennung in einer Faksimile-Unterschrift ist es ebenso ausreichend, wenn sich die Erklärung aufgrund des (Brief-)Kopfes oder wegen ihres Inhalts einem konkreten Erklärenden zurechnen lässt. Um die Erklärung vom Entwurfsstadium abzugrenzen ist über den Wortlaut hinaus erforderlich, dass die Erklärung abgeschlossen ist. Der Abschluss kann auf verschiedenste Weise erfolgen, etwa durch die Nennung des Namens am Textende, ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, den Zusatz „Diese Erklärung ist nicht unterschrieben“, aber auch durch eine Datierung oder eine Grußformel. (VK Westfalen, Beschluss vom 07.08.2023 – VK 1-22/23)
Für die Frage der Auskömmlichkeit eines Angebots ist der Gesamtpreis maßgebend
Für die Frage der Auskömmlichkeit eines Angebots ist auf dessen Gesamtpreis abzustellen und nicht auf einzelne Preispositionen. Der Umstand allein, dass ein Angebot für eine einzelne Position einen günstigeren Preis enthält als andere Angebote, ist nicht ausreichend, um von einer Mischkalkulation auszugehen. (VK Sachsen, Beschluss vom 30.03.2023 – 1/SVK/002-23)
Werk- oder Kaufrecht anwendbar bei Lieferung und Montage von Einbauküche?
Die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag (gerade auch bei einer Einbauküche) erfolgt danach, ob bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt auf der Verpflichtung zur Verschaffung von Eigentum und Besitz (dann Kaufrecht) oder auf der Montageleistung (dann Werkvertragsrecht) liegt. Machen die für die Montage veranschlagten Kosten 7,2 % des Gesamtrechnungspreises aus, spielt die Montageleistung nur eine untergeordnete Rolle. Der Schwerpunkt liegt dann auf der Verschaffung von Eigentum und Besitz der Einbauküche, so dass Kaufrecht Anwendung findet. (OLG München, Urteil vom 26.07.2023 – 7 U 4188/21)