Newsletter Bau- und Vergaberecht 29/2022
05.09.2022 | Bau- und Vergaberecht
29.08.2022 29/2022
Keine Kündigung wegen Verzugs bei Bedenkenanmeldung
Eine Kündigung kommt nach VOB/B in Betracht, wenn der Unternehmer in Verzug gerät und eine Nachfrist verstrichen ist.
Erhebt der Unternehmer Bedenken, die der Bauherr treuwidrig nicht berücksichtigt, gerät der Unternehmer nicht in Verzug. Ein treuewidriges Verhalten liegt dann vor, wenn durch die Vorgabe des Bauherrn ein Verstoß gegen den Bauvertrag und die Regeln der Technik erfolgt, ohne dass der Unternehmer von der Haftung freigestellt wird. Dem Auftragnehmer kann ein Gewährleistungsfall nicht aufgezwungen werden (OLG Dresden, Urteil vom 29.06.2022 – 22 U 1689/20).
Erforderlichkeit einer Schutzschicht in der Tiefgarage
Bei einem Bauvertrag sind grundsätzlich die allgemein anerkannten Regeln der Technik geschuldet. Es bedarf keines ausdrücklichen Hinweises darauf. Bei einem Tiefgaragenboden ist nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik ein Oberflächenschutzsystem aufzubringen. Ansonsten ist die Leistung mangelhaft (OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2019 – 29 U 134/16 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 09.03.2022 – VII ZR 263/19).
Normale Gewährleistung bei Neuerrichtung eines Daches
Der Auftragnehmer errichtet ein vollständiges neues Dach für eine Wohnungseigentumsanlage. Eine solche Leistung ist nach Werkvertragsrecht zu beurteilen, auch wenn es sich um eine Sanierungsmaßnahme handelt. Denn die Leistung verlässt den reinen Bezug zum Sondereigentum und nimmt einen nennenswerten Umfang an. (OLG München, Beschluss vom 22.04.2020 – 28 U 6408/19 Bau – BGH, Beschluss vom 09.02.2022 – VII ZR 7620
Kein Honorar ohne prüfbare Rechnung
Die Parteien beenden den Architektenvertrag einvernehmlich vor Erbringung aller Leistungen. Dann kann der Architekt schlussrechnen, die Abrechnung muss prüfbar sein. Fehlt die Prüfbarkeit fehlt auch die Fälligkeit. Rügt der Bauherr die fehlende Prüffähigkeit nicht, kommt eine Abweisung als derzeit unbegründet nicht in Betracht. Es hat eine endgültige Entscheidung über die Berechtigung der Honorarforderung stattzufinden (OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.10.2021 – 12 U 120/18 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 01.06.2022 – VII ZR 22/22).
Vergabe ohne Teilnahmewettbewerb bei Dringlichkeit
Nach § 3a EU Abs. 3 Nummer 4 VOB/A 2019 kann bei äußerster Dringlichkeit auch von den Mindestfristen nach den §§ 10 a, b, c EU VOB/A 2019 abgewichen werden. Wirtschaftliche Interessen begründen keine solche äußerste Dringlichkeit (OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.06.2022 – 11 Verg 12/21).
Rechtzeitige Rügepflicht bei Vorgabe eines Selbstausführungsgebots
Wollen Bieter sich auf ein Verhandlungsverfahren nicht einlassen, muss dies im Vorfeld von den Verfahrensbeteiligten angezeigt werden. Der Bieter muss mit der Benennung der Verfahrensart die etwaigen Folgen des Verhandlungsverfahrens kennen. Er muss etwa damit rechnen, dass im Verhandlungsverfahren ein Mitbewerber ihn unterbietet. Wird die Möglichkeit der Einbindung von Nachunternehmern untersagt oder teilweise untersagt, ist dies ein Umstand, den der Bieter feststellen und den er im Vorfeld der Angebotsabgabe prüfen muss. Denn die Unzulässigkeit der Vorgabe eines Selbstausführungsgebots ist angesichts der Regelungen in § 6 d EU VOB/A 2019 erkennbar (VK Sachsen, Beschluss vom 25.06.2021 – 1/SVK/009 – 21).