Newsletter Bau- und Vergaberecht 29/2024
26.08.2024 | Bau- und Vergaberecht
Bei fortgeschrittenem Bautenstand kein Rücktritt wegen Mängeln:
Es ist mit einer umfassenden Interessensabwägung im Einzelfall zu klären, ob ein Rücktritt von einem Bauvertrag wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen ist. Gegen die Wirksamkeit des Rücktritts spricht im Rahmen der Interessenabwägung der Umstand, dass bereits umfangreiche Leistungen durch den Unternehmer erbracht worden sind (Kammergericht, Urteil vom 18.06.2024 – 21 U 20/23).
Beweispflicht des Auftraggebers für Zugang von Fristsetzung/Kündigungsandrohung:
Wenn der Bauherr einen Anspruch auf Mängelbeseitigungskostenvorschuss geltend machen will, muss bei einem VOB–Vertrag eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung ausgesprochen worden sein. Der Zugangsnachweises kann nicht durch Vorlage eines Einlieferungsbelegs und des Sendungsstatus bei einem Einwurf-Einschreiben geführt werden. Diesem kann nicht konkret entnommen werden, dass eine Zustellung beim Auftragnehmer erfolgt ist. Nur wenn der Briefkasteneinwurf des Einwurf-Einschreibens dokumentiert wird, können die Grundsätze des Anscheinsbeweises greifen. Vorzulegen sind dafür die Auslieferungsbelege im Original oder als Reproduktion (Kammergericht, Beschluss vom 30.03.2023 – 27 U 192/22 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 14.02.2024 – VII ZR 89/23).
Keine Baukostengarantie bei einvernehmlicher Planungsänderung:
Zwischen dem Bauherrn und dem Projektbetreuer ist eine Baukostenobergrenze vereinbart worden. Ob es sich um eine Baukostengarantie handelt, muss durch Auslegung festgestellt werden. Hieran sind hohe Anforderungen zu stellen. Wird die ursprüngliche Planung einvernehmlich geändert und in einem erweiterten Umfang ausgeführt, wird eine Baukostengarantie gegenstandslos (OLG Bamberg, Beschluss vom 10.07.2023 – 12 U 4/23 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 26.06.2024 – VII ZR 189/23).
Dem Bauüberwacher müssen vom Bauherrn mangelfreie Pläne übergeben werden:
Es gehört zu den Pflichten des Bauherrn, dass er dem bauüberwachenden Architekten mangelfreie Ausführungspläne auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Vertrag zur Verfügung stellt. Ist diese Verpflichtung im Vertrag zur Leistungspflicht erhoben worden, hat der bauüberwachende Architekt einen durchsetzbaren Anspruch und die Verletzung der Pflicht kann zu einem Schadensersatzanspruch des Bauüberwachers führen (Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 08.05.2024 – 6 U 300/17).
Ungenügende Referenz kann nicht „fehlen“:
Nach § 56 Abs. 2 VgV besteht die Möglichkeit zur Nachforderung, wenn eine geforderte Erklärung oder ein Nachweis fehlt. Bleibt der Nachweis hinter den geforderten Mindestanforderungen zurück, fehlt die Erklärung (CVK Sachsen, Beschluss vom 25.04.2023 – 1/SVK/010-23).
Keine Annahme einer Mischkalkulation bei preislichen Ausreißern:
Die Vergabestelle hat eine Ausschreibung mit einem Leistungsverzeichnis mit mehreren 100 Positionen ausgeschrieben. In diesem Falle ist es wahrscheinlich, dass jeder Bieter mit einer oder mehreren Positionen den günstigsten oder auch den teuersten Preis im Vergleich aller Bieter anbietet. Daher ist das Vorhandensein von Positionen mit niedrigen und hohen Ansätzen an beliebigen Stellen des Leistungsverzeichnisses nicht als Mischkalkulation indiziert (VK Südbayern, Beschluss vom 06.02.2024 – 3194.Z3–3 01–23–58).