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Newsletter Bau- und Vergaberecht 33/2022

06.09.2022 | Bau- und Vergaberecht

05.09.2022                                                                                                                33/2022

Kein Nachtrag für beauftragte Leistungen

In der Leistungsbeschreibung ist eine Leistung bereits aufgeführt und damit Bestandteil der Vergütung des Auftragnehmers. Die Leistung ist nach dem ursprünglichen Vertrag geschuldet. Aufgrund eines Nachtrags kann der Auftragnehmer keine gesonderte Vergütung für die Leistung verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Bauherr den Anspruch anerkannt hat oder die Parteien dazu eine Vergleichsvereinbarung geschlossen haben (OLG Stuttgart, Urteil vom 02.03.2021 – 10 U 57/14 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 04.05.2022 – VII ZR 259/21).

Kündigung vor Ablauf der Frist bei absehbarer Nichteinhaltung zulässig

Wenn sich ein Unternehmen mit der Erbringung der Bauleistung in Verzug befindet, muss es die Arbeiten innerhalb einer vom Bauherrn gesetzten Frist oder einer angemessenen Frist erbringen. Die Fertigstellungsfrist ist danach zu bemessen, in welcher Zeit die Fertigstellung unter größten Anstrengungen möglich ist, verbunden mit einer Erhöhung der Zahl der Arbeitskräfte, der täglichen Arbeitsstunden, Doppelschichten und Samstagsarbeit. Der Auftrag kann entzogen werden, wenn die Frist fruchtlos abgelaufen ist. Lassen die Umstände bereits vor Fristablauf den Schluss zu, dass die Frist nicht eingehalten wird, darf der Bauherr auch vor Ablauf der Frist berechtigt kündigen (LG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2021 – 22 U 103/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 26.01.2022 – VII ZR 258/21).

Keine Arbeitseinstellung nach Bedenkenanmeldung

Die Voraussetzung für eine Vertragskündigung ist der verzögerte Beginn der Ausführung, das Setzen einer angemessenen Frist zur Vertragserfüllung, die Androhung der Kündigung und der fruchtlose Ablauf der Frist.

Ein Bauunternehmen darf in dieser Situation nach einer ausdrücklichen Anweisung des Bauherrn die Weiterführung der Arbeiten wegen zu erwartender Mängel nicht verweigern, wenn das Bauunternehmen zuvor ordnungsgemäß Bedenken angemeldet hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit der Weiterführung der Arbeiten eine Gefahr für Leib und Leben verbunden wäre (OLG Frankfurt, Urteil vom 05.08.2022 – 21 U 4/21).

Gesamtvergabe nicht zwingend

Die Vergabestelle entscheidet über den Umfang der zu vergebenden Leistungen und darüber, ob mehrere Leistungseinheiten gebildet werden, die gesondert zu vergeben sind. Dabei muss die Vergabestelle die Leistung nach ihren individuellen Vorstellungen bestimmen und danach das Verfahren eröffnen. Eine wettbewerbsverengende Wirkung ist zulässig, wenn der Beschaffungsbedarf durch sachliche und auftragsbezogene Gründe diskriminierungsfrei erfolgt. Dabei soll die Leistung grundsätzlich in Losen vergeben werden. Eine Gesamtvergabe ist nur ausnahmsweise zulässig. Dies kann aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erforderlich sein. Dabei muss der Grund nicht objektiv zwingend sein. Die Vergabestelle muss sich aber mit dem grundsätzlichen Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen auseinanderzusetzen, um eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen. Aus deren Gesamtwürdigung müssen technische und wirtschaftliche Gründe für die Gesamtvergabe sprechen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.04.2022 – 15 Verg 2/22).

Ausschluss vom Verfahren bei spekulativer Kalkulation

Enthält ein Angebot nicht die erforderlichen Preisangaben, ist es vom Vergabeverfahren auszuschließen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Preisangabe fehlt. Dies kann bereits dann angenommen werden, wenn der angebotene Preis offensichtlich unzutreffend ist oder wenn Preisbestandteile in unzulässiger Weise zwischen den Angebotspositionen verlagert werden.

Da die Bieter in der Kalkulation frei sind, haben sie auch die Befugnis festzulegen, zu welchen Einzelpreisen die Positionen ausgeführt werden sollen. Dabei müssen die Preise der einzelnen Positionen nicht in gleicher Weise kalkuliert werden. Für den Ausschluss des Angebots genügt es nicht, wenn einzelne Positionen zu Preisen angeboten werden, die die damit einhergehenden Kosten nicht vollständig abdecken. Wenn aber in der Angebotsstruktur deutlich unter den erwarteten Kosten liegende Ansätze vorhanden sind und bei anderen Positionen auffällig hohe Ansätze, indiziert dies eine unzulässige Preisverlagerung. Wenn der Bieter diese Annahme nicht erschüttern kann, ist davon auszugehen, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthält und auszuschließen ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2021 – Verg 4/21).

Aufklärungsverlangen bei angemessenen Preisen rechtswidrig

Die Vergabestelle hat ein Aufklärungsverlangen zu den Grundlagen der Preisermittlung, wenn die Vergabestelle eine für die Vergabeentscheidung erhebliche Information benötigt und wenn die geforderten Angaben geeignet sind, das Informationsbedürfnis zu befriedigen und der Vergabestelle die Erlangung der Information nicht auf einfachere Weise möglich ist. Das Verlangen einer Aufklärung ist rechtswidrig, wenn die Vergabestelle eine Aufklärung über den Preis verlangt, ohne dass die Voraussetzungen der Prüfung vorliegen. Dies gilt dann, wenn der Abstand des Angebots zu den weiteren Angeboten keinen Anlass für die Annahme bietet, dass sein Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig ist. In diesem Fall kann der Ausschluss des Angebots nicht auf eine unzureichende Mitwirkung des Bieters gestützt werden.

Die Preisprüfung hat in vier Schritten zu erfolgen.

  1. Es wird geprüft, ob der Preis und die Kosten ungewöhnlich niedrig sind.
  2. Den Bietern wird die Möglichkeit gegeben, die Gründe darzulegen, weshalb der Preis nicht ungewöhnlich niedrig ist.
  3. Die Argumentation des Bieters ist zu beurteilen und festzustellen, ob das Angebot entgegen der Angaben des Bieters ungewöhnlich niedrig ist.
  4. Es ist eine Entscheidung zu treffen (VK Sachsen, Beschluss vom 14.06.2022 – 1/SVK/006 – 22).

 

 

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