Newsletter Bau- und Vergaberecht 34/2020
15.09.2020 | Bau- und Vergaberecht
Schätzung der Entschädigungshöhe zulässig
Nach § 642 Abs. 2 BGB steht dem Auftragnehmer ein Entschädigungsanspruch zu. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach der Dauer des Verzugs, der Höhe der vereinbarten Vergütung und dem, was der Unternehmer an Aufwendungen erspart oder anderweitig erwirbt. Die Vorschrift gibt dem Tatrichter keine exakte Berechnung vor. Vielmehr kann der Tatrichter schätzen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.08.2020 – 8 U 49/19 in Anlehnung an BGH, Urteil vom 30.01.2020 – VII ZR 33/19).
Grenze der Prüfpflichten – keine Ziehung von Bohrkernen durch den Bodenverleger
Der Unternehmer eines nachfolgenden Gewerkes kann von der Mängelhaftung entlastet sein, wenn er seinen Prüfpflichten nachgekommen ist. Dies ist der Fall, wenn der Unternehmer trotz Ausübung seiner Prüfpflichten die Fehlerhaftigkeit der Vorleistung nicht erkennen konnte. So genügt etwa die Durchführung einer Kratzprobe auf der vorhandenen Spachtelmasse. Soll der Unternehmer Bodenbeläge in einem Ladenlokal verlegen, kann er davon ausgehen, dass dort geeigneter Gussasphalt-Estrich verbaut wird. Der Bodenleger muss nicht damit rechnen, dass dort ein Walzasphalt-Estrich verbaut worden ist. Daher ist er auch nicht verpflichtet, vor Ausführung seiner Arbeiten Bohrkernentnahmen vorzunehmen (OLG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2020 – 2 U 43/20).
Sicherungsabrede unwirksam wenn durch Vertragserfüllung– und Mängelbürgschaft Übersicherung eintritt
In den Vertragsbestimmungen eines Bauvertrages – Allgemeine Geschäftsbedingungen – ist geregelt, dass der Auftragnehmer neben einer Vertragserfüllungsbürgschaft auch eine Bürgschaft für Mängelansprüche stellen muss. Kommt es dadurch zeitweise zu einer Besicherung von über 5 % der Auftragssumme, wird der Auftragnehmer unangemessen benachteiligt und die Regelung ist unwirksam (BGH, Urteil vom 16.07.2020 – VII ZR 159/19 in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung).
Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch Gutachter unwirksam
In den Bauträgerverträgen ist klauselhaft geregelt, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen Gutachter erfolgt. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung. Die Regelung ist ebenso wie eine etwa durchgeführte Abnahme unwirksam (OLG Frankfurt, Urteil vom 02.10.2018 – 29 U 163/17 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 17.06.2020 – VII ZR 239/18).
Beauftragung bis Leistungsphase 5 – Abnahme konkludent auch ohne Fertigstellung der Bauleistung
Der Architekt ist als Planer bis zur Leistungsphase 5 beauftragt. Danach stellt der Architekt die Schlussrechnung, die bezahlt wird. Darin liegt eine konkludente Abnahme. Die bauliche Fertigstellung des Gesamtbauvorhabens ist für die Abnahme nicht erforderlich (OLG Köln, Beschluss vom 01.07.2020 – 7 U 163/19).
Beschaffung von Schutzmasken äußerst dringlich
Der öffentliche Auftraggeber ist befugt, bei Vorliegen äußerst dringlicher und zwingender Gründe im Zusammenhang mit unvorhersehbaren Ereignissen Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben. In diesem Fall muss die Vergabestelle die für vorrangige Vergabeverfahrensarten vorgeschriebenen Mindestfristen nicht einhalten. Die Corona-Krise ist ein solches Ereignis. Wegen der dadurch ausgelösten Dringlichkeit der Schutzmaskenbeschaffung beschränkte sich die Dringlichkeit nicht nur auf den Abschluss der reinen Kaufverträge, sondern auch auf die Aufgabe der konkreten Abwicklung dieser Verträge (VK Bund, Beschluss vom 28.08.2020 – VK 2 – 57/20).
Vergabeunterlagen müssen transparent sein
Der Auftragsgegenstand muss in der Leistungsbeschreibung eindeutig und erschöpfend beschrieben werden. Die Beschreibung muss für alle Unternehmen im gleichen Sinn verständlich sein. Dadurch ist es möglich, dass die Angebote miteinander verglichen werden können. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn die Leistungsbeschreibung grundlegend unterschiedlich interpretiert werden kann und sich verschiedene Interpretationen aus dem Vertragstext entnehmen lassen. Dann ist das wirtschaftlichste Angebot nicht mehr zu werten (VK Lüneburg, Beschluss vom 14.07.2020 – VgK – 13/2020).