Newsletter Bau- und Vergaberecht 34/2023
25.09.2023 | Bau- und Vergaberecht
Kein Rücktrittsgrund bei lediglich unerheblicher Verzögerung
Eine lediglich unerhebliche Leistungsverzögerung berechtigt den Auftraggeber nicht ohne Setzung einer Nachfrist vom Bauvertrag zurückzutreten. (OLG Schleswig, Beschluss vom 20.10.2022 – 12 U 132/21– Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, BGH, Beschluss vom 21.06.2023 – VII ZB 206/22).
Abrechnung als Arbeits- oder Schutzgerüst?
Bei der Einordnung eines Gerüsts als Arbeits- oder Schutzgerüst handelt es sich um eine anhand der VOB/C zu beantwortenden Rechtsfrage. Maßgeblich ist die vom Gerüst zu erfüllende Funktion. Deshalb ist die Gerüstart aufzumessen, mit der die Arbeiten vollumfänglich ausgeführt werden können. Liegt der Schwerpunkt der vorzunehmenden Arbeiten auf der Dachsanierung kann die Auslegung zur umfassenden Anwendung der Regelungen für Schutzgerüste führen (LG Karlsruhe, Urteil vom 28.06.2023 – 6 O 71/21).
Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Tätigkeit aufgrund von Dienst-/Werkvertrag
Ist der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam, kommt zwischen diesem und seinem Entleiher ein Arbeitsverhältnis zustande. Hiervon ist auszugehen, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und der Leiharbeitnehmer in dieser nicht konkretisiert worden ist. Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt. Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG ist zwar für die rechtliche Einordnung des Vertrags die tatsächliche Durchführung maßgebend, wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen. Die Vorschrift löst den Widerspruch zwischen Vertrag und seiner tatsächlichen Durchführung jedoch lediglich zugunsten der Arbeitnehmerüberlassung auf. Die Bezeichnung im Vertrag ist deshalb nur dann unbeachtlich, wenn die Vertragsparteien abweichend von den getroffenen Vereinbarungen tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung praktizieren. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitsverhältnis gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kraft Gesetzes begründet wird (BAG, Urteil vom 25.07.2023 – 9 AZR 278/22).
Umfangreiche Architektenleistungen begründen nicht per se Honorar
Für die Bestimmung des Zustandekommens eines Architektenvertrages sind die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Auslegungskriterien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, die bei der Ermittlung eines gemeinsamen übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Willens von Bedeutung sind. Insbesondere ist zu ermitteln, ob die Parteien schon die Akquisitionsphase verlassen haben. Eine vergütungspflichtige Beauftragung ergibt sich nicht allein aus dem Tätigwerden eines Architekten. Die Vorschriften der HOAI sind als reines Preisrecht insoweit nicht behilflich. Bei Großprojekten ist zu berücksichtigen, dass Architekten häufig bereit sind, auch umfangreiche Architektenleistungen zu erbringen, um eine mögliche, aber noch nicht gesicherte Realisierung zu fördern. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2021 – 5 U 147/20 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 29.03.2023 – VII ZR 882/21).
Keine überzogenen Anforderungen an die Eignung
Im Rahmen des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB können hohe Anforderungen unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, weil nur ein oder wenige Unternehmen sie erfüllen. In einem solchen Fall ist es nötig, dass die Anforderungen durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sind. Je einschneidender der Wettbewerb beschränkt wird, desto höher sind die Anforderungen an die gewichtigen Gründe (BayObLG, Beschluss vom 06.09.2023 – Verg 5/22).