Newsletter Bau- und Vergaberecht 35/2022
13.10.2022 | Bau- und Vergaberecht
28.09.2022 35/2022
Die Kompletterrichtung von Klappläden ist als Werkvertrag zu beurteilen
Die Abgrenzung von Kaufverträgen, Werklieferungsverträgen und Werkverträgen kann im Einzelfall schwierig sein. Es kommt darauf an, auf welcher der Leistungen bei Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Die mit Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz lässt auf einen Kauf- oder Werklieferungsvertrag schließen. Geht es um die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist von einem Werkvertrag auszugehen. Ein Komplettvertrag für die Planung, Lieferung und Montage von Schiebe- und Klappläden ist als Werkvertrag anzusehen (OLG Stuttgart, Urteil vom 02.06.2022 – 13 U 9/21).
Kein Werklohnanspruch ohne Vertrag
Für die Geltendmachung von Werklohn bedarf es einer vertraglichen Anspruchsgrundlage. Dazu muss ein Vertrag wirksam zustande gekommen sein. Fehlt es an einer Einigung über den Werklohn, ist der Vertrag nicht zustande gekommen (OLG Rostock, Urteil vom 12.11.2021 – 7 U 52/21 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 01.06.2022 – VII ZR 885/21).
Kein Anspruch gegen Bauherrn auf Stellung von Bauwassern und Strom
In den Vertragsbedingungen des Unternehmers ist geregelt das Bauwasser und Baustrom vom Bauherrn gestellt wird bzw. die Kosten des Unternehmers übernommen werden. Diese Klausel benachteiligt den Bauherrn unangemessen und ist unwirksam. Außerdem ist die Klausel überraschend. Wenn dadurch keine Verpflichtung des Bauherrn besteht, Baustrom und Bauwasser zur Verfügung zu stellen, kommt der Bauherr auch nicht in Annahmeverzug, wenn er Baustrom und Bauwasser nicht vorhält. Der Unternehmer hat keinen Anspruch auf Entschädigung (OLG Schleswig, Urteil vom 31.08.2022 – 12 U 119/21).
Bauherr muss Vertragssoll definieren
Für ein Bauvorhaben ist ein Ingenieur mit der Tragwerksplanung und dem Schallschutz beauftragt. Es handelt sich um ein Doppelhaus mit einer Haustrennwand. Der Bauherr machte keine Vorgaben zum Schallschutz. Die Planung des Ingenieurs ist in diesem Fall nicht mangelhaft, wenn der Schallschutz nicht den Vorgaben der DIN 4109 Beiblatt 2 Tab. 2 für Doppelhaushälften entspricht. Zwar treffen den Planer Prüf- und Hinweispflichten, was dann nicht zu einer Haftung führt, wenn eine mangelhafte Vorleistung vorausgegangen ist und der Planer dies bei einer Prüfung mit seinen Kenntnissen nicht erkennen konnte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.05.2020 – 15 U 126/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss und 23.06.2022 – VII ZR 79/20).
Vorrangige Vergabe von Rettungstransporten an NPO zulässig
Eine nationale Regelung sieht vor, dass Notfallkrankentransportdienste vorrangig durch Vereinbarungen an Freiwilligenorganisationen, nicht aber an Sozialgenossenschaften vergeben werden dürfen, die an ihren Mitglieder Rückvergütungen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ausschütten. Einer solchen Regelung steht Art. 10 h Richtlinie 2014/24/EU vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und Aufhebung der Richtlinie 2004/18/ EG nicht entgegen (EuGH, Urteil vom 07.07.2022 – Rs. C–213/21).
Gleichbehandlungsgebot im Vergabeverfahren
Die Vergabestelle kann festlegen, zu welchen Einzelpreisen die Positionen des Leistungsverzeichnisses ausgeführt werden. Dies gilt auch, obwohl die Bieter in der Kalkulation ihrer Preise grundsätzlich frei sind. Durch die Vergabestelle sind Kalkulationsvorgaben zulässig. Die Kalkulationsfreiheit der Bieter wird zwar eingeschränkt. Dies beruht aber zulässigerweise auf der Bestimmungsfreiheit der Vergabestelle hinsichtlich der Regelungen des Vergabeverfahrens. Danach müssen alle Bieter Rabatte auf die Einzelpositionen in gleichem Maß gewähren, ohne dass gegebenenfalls unterschiedliche Spielräume der Bieter bei den Einzelpositionen berücksichtigt werden. Damit werden die Bieter gleich behandelt. Dies bedarf einer sachlichen Rechtfertigung (VK Bund, Beschluss vom 22.08.2022 – VK 1 – 73/22).