Newsletter Bau- und Vergaberecht 36/2023
07.11.2023 | Bau- und Vergaberecht
Dokumentation für Bauzeitnachtrag unabdingbar:
Für ein Bauunternehmen kann sich ein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB im Zusammenhang mit bauzeitlichen Veränderungen ergeben. Dann muss der Bauherr eine für die Herstellung des Werks erforderliche Mitwirkungshandlung unterlassen haben. Der Auftragnehmer muss leistungsbereit und leistungsfähig gewesen sein. Der Auftragnehmer muss die geschuldete Leistung angeboten haben und bei Vereinbarung der VOB/B muss die Behinderung angezeigt werden, wenn sie nicht offenkundig ist.
Zur Darlegung des Anspruchs muss der Auftragnehmer darlegen und beweisen, in welchem exakten Zeitraum aufgrund welcher genauen Umstände Wartezeiten in welchem genauen Umfang angefallen sind (OLG Köln, Beschluss vom 23.06.2022 – 19 U 237/21 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 10.05.2023 – VII ZR 141/22).
Fristsetzung ist der sicherere Weg:
Bei Vorhandensein von Mängeln steht dem Bauherrn dann kein Schadensersatzanspruch und kein Selbstvornahmeanspruch zu, wenn er keine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt hat und die Fristsetzung nicht entbehrlich war.
Entbehrlich ist die Fristsetzung in Ausnahmefällen dann, wenn der Auftragnehmer die Erfüllung der Leistungen ernsthaft und endgültig verweigert hat, wenn auf Seiten des Bauherren ein begründeter Vertrauensverlust in die Zuverlässigkeit und Kompetenz des Auftragnehmers eingetreten ist oder es sonstige besondere Umstände gibt. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, entgehen dem Bauherrn die Mängelansprüche (OLG Köln, Beschluss vom 03.02.2021 – 16 U 90/20 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 26.04.2023 – VII ZR 226/21).
Ohne Vertrauenstatbestand keine Bindung an die Schlussrechnung:
Der Architekt ist mit Nachforderungen ausgeschlossen, wenn er eine Schlussrechnung gestellt hat und damit einen Vertrauenstatbestand begründet hat, auf den sich der Bauherr in berechtigtem Vertrauen darauf verlassen konnte, dass die Abrechnung endgültig ist. Der Bauherr muss sich darauf in einer schutzwürdigen Weise eingerichtet haben. Die Interessen beider Vertragsparteien sind im Einzelfall umfassend zu prüfen und gegeneinander abzuwägen. Wird kein entsprechender Vertrauenstatbestand durch den Planer begründet, ist der Planer nicht gehindert, nach der Rechnungsstellung höherer Kosten geltend zu machen (OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2021 – 16 U 63/20 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 10.05.2023 – VII ZR 443/21).
Keine unbegrenzte Verlängerung der Konzession:
Art. 106 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 102 AEUV ist dahingehend auszulegen, dass dem Inhaber einer Exklusivlizenz zur Nutzung von Mineralwasserquellen nicht die Möglichkeit eingeräumt werden darf, ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren die mehrfache Verlängerung seiner Lizenz für jeweils 5 Jahre zu erlangen, wenn diese Regelung dazu führt, dass der Lizenzinhaber durch die Ausübung des ihm übertragenen Vorzugsrechts seine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts missbräuchlich ausnutzt und wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden kann, in der er einen solchen Missbrauch begeht. Entgegenstehende nationale Regelungen sind insoweit unbeachtlich (EuGH, Urteil vom 21.09.2023 – Rs.C – 510/22).
Negativer Preis ist ein Preis:
Es ist grundsätzlich zulässig, in einem Angebot einen negativen Preis anzugeben. Die Vergabestelle kann den Ausschluss eines Angebots mit negativen Preisen nicht darauf stützen, dass in der Ausschreibung die HVAB – STB EU – Teilnahmebedingungen 8-19 zum Gegenstand der Vergabeunterlagen gemacht wurden und damit bestimmt ist, dass Hauptangebot mit negativen Einheitspreislisten ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich zugelassen sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.08.2023 – 15 Verg 4/23).