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Newsletter Bau- und Vergaberecht 36/2024

06.11.2024 | Bau- und Vergaberecht

Auslegung einer Garantie von 30 Jahren:

Mit einer Garantie kann die gesetzliche Verjährungsfrist verlängert oder das Verschuldenserfordernis zwar nicht ausgeschlossen, aber eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Vorliegens eines Mangels und/oder hinsichtlich des Zeitpunkts seines Entstehens vereinbart werden. Dabei ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durch Auslegung der Inhalt einer von einem Unternehmer abgegebenen Garantie zu ermitteln. Es kommt darauf an, wie der Besteller die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung seines sonstigen Verhaltens und der Umstände, die zum Vertragsschluss geführt haben, sowie des bekannten Vertragszwecks nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte. Solle der Garantiewille über eine Beschaffenheitsvereinbarung hinausgehen, bedarf dies einer besonderen Begründung. Beträgt die Gewährleistungsfrist auf konstruktive Teile 30 Jahre, bezieht sich dies nur auf solche Bauteile, die statische Relevanz haben, nicht auf Oberputz, Außenputzes oder Außenfensterbänke (OLG München, Beschluss vom 23.07.2024 – 27 U213/24 Bau).

Abrechnung des Kostenvorschusses nach Mängelbeseitigung:

Der Kostenvorschuss ist nach § 637 Abs. 3 BGB zweckgebunden vom Besteller zur Mangelbeseitigung zu verwenden. Deshalb muss der Besteller seine Aufwendungen für die Mangelbeseitigung nachweisen und über den erhaltenen Kostenvorschuss eine Abrechnung erteilen. Nicht für die Mangelbeseitigung in Anspruch genommene Vorschusszahlungen sind zurückzuerstatten. Im Hinblick auf nicht zweckentsprechend verbrauchte Zahlungen entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Unternehmers. Nach Durchführung der Mangelbeseitigung ist der Vorschuss abzurechnen und Überschüsse zurückzuzahlen (OLG Schleswig, Urteil vom 16.10.2024 – 12 U 6/24).

Hinweispflicht des Architekten auf Bedenken:

Der Architekt schuldet die Planungsleistungen, die erforderlich sind, um den geschuldeten Erfolg zu erzielen. Dabei gilt der funktionale Mangelbegriff. Die Funktion ist die von den Parteien entwickelte gemeinsame Vorstellung von dem zu errichtenden Objekts. Auf Risiken muss der Architekt hinweisen und dem Bauherrn hinreichend deutlich machen, welche Folgen mit einer bestimmten Ausführung des Bauvorhabens verbunden sind. Wenn ausreichende Hinweise nicht erteilt werden, kann die Planung insofern fehlerhaft sein. Die Planung muss darauf ausgerichtet sein, dass sie dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch gerecht wird. Risiken, die die Leistungen gefährden, muss der Architekt den Bauherrn darlegen (OLG Schleswig, Urteil vom 28.8.2024 – 12 U 7/24).

Kein Anspruch auf Gleichbehandlung für Drittstaat-Unternehmen:

Wenn keine internationalen Übereinkünfte mit der Europäischen Union im Bereich des öffentlichen Auftragswesen mit Drittstaaten geschlossen wurden, haben Unternehmen aus solchen Staaten im Vergabeverfahren keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit in der Europäischen Union ansässigen Unternehmen (EuGH, Urteil vom 22.10.2024 – Rs. C – 652/22).

Bei Langzeitvertrag keine Dringlichkeitsvergabe:

Wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist, ist eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen möglich. Die Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung geht dem Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit vor, wenn bedeutende Rechtsgüter wie Leib und Leben oder hohe Vermögenswerte unmittelbar gefährdet sind. Der Zeitraum der Dringlichkeitsbeauftragung muss so bemessen werden, wie es erforderlich ist, um die von der Vergabestelle beabsichtigte Vergabe in einem ordnungsgemäßen, förmlichen Vergabeverfahren durchzuführen, also im Regelfall max. 12 Monate (VK Niedersachsen, Beschluss vom 25.6.2024 – VgK – 12/2024).

 

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