Newsletter Bau- und Vergaberecht 37/2019
04.11.2019 | Bau- und Vergaberecht
Abnahme trotz des Fehlens wesentlicher Leistungen möglich
Eine Abnahme kann auch erfolgen, wenn die Bauleistung in wesentlichen Punkten noch nicht fertiggestellt wird. Es kommt darauf an, ob der Bauherr die Leistung nach den gesamten Umständen als im Wesentlichen vertragsgerecht ansieht. Eine Abnahme kann auch dann erklärt werden, wenn noch wesentliche Leistungen fehlen und der Bauherrn trotzdem die Abnahme erklärt. Das Bauvorhaben befand sich in Kanada. Der Bauherr hatte einen bereits gebuchten Rückflug anzutreten und hat vor Abreise erklärt, dass er die Leistung abnimmt (OLG München, Beschluss vom 23.02.2017 – 27 U 3351/16 Bau – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 10.07.2019 – VII ZR 75/17).
Keine (Mit- ) Haftung des Monteurs bei komplizierter Anlage
Die Anlage besteht aus einer Wärmepumpenanlage mit Solarunterstützung und Erdwärmespeicher. Für Mängel ist der Monteur nicht verantwortlich etwa, weil der Erdwärmespeicher unterdimensioniert ist und es eine zu geringe/fehlende Rückspeisung aus den Solarkollektoren gibt. Soweit reicht die Prüfungs- und Hinweispflicht nicht (OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.03.2017 – 12 U 94/13 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 24.07.2019 – VII ZR 101/17).
Fortbestehen der Haftung des Architekten bei Vergleich zwischen Bauherr und Unternehmer
An der Baumaßnahme sind Baumängel vorhanden. Das ausführende Unternehmen und der Bauherr schließen einen Vergleich. Dadurch bleibt die Haftung des Architekten als Bauleiter weiterbestehen, da er gesamtschuldnerisch haftet (OLG Brandenburg, Urteil vom 24.10.2019 – 12 U 47/19)
Ausschluss von Doppelangeboten
Ein Bieter reicht 2 Angebote getrennt voneinander ein und bezeichnet diese als Hauptangebote. In diesem Falle kann die Vergabestelle nicht eines der Angebote in ein Nebenangebot umdeuten. Die Angebote unterscheiden sich nur dadurch, dass bei gleicher Leistung einzelne Positionen in einem Angebot pauschaliert werden. Es handelt sich dann um ein unzulässiges Doppelangebot, das ausgeschlossen werden muss (VK Sachsen, Beschluss vom 23.07.2019 – 1/SVK/016 – 19).
Zuschlagserteilung muss nachvollziehbar dokumentiert werden
Zur Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung muss ein nachvollziehbarer Überblick über den Stand des Verfahrens, seinen Ablauf und seinen Inhalt zur Überprüfung ermöglicht werden (VK Nordbayern, Beschluss vom 25.09.2019 – RMF – SG 21 – 3194 – 4 – 37).
Vertrag geht vor
Die Parteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit Vereinbarungen treffen. Dies ist insbesondere bei gemischten Vertragstypen oder Verträgen eigener Art häufig geboten. Bei diesen Verträgen sind die vertraglichen Regelungen maßgeblich und gehen den Regelungen gesetzlicher Vertragstypen vor (OLG München, Beschluss vom 27.03.2019 – 27 U 3647/18 Bau – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 26.06.2019 – VII ZR 80/19)
Abschlagsrechnung kann als Schlussrechnung behandelt werden
Wenn eine Abschlagsrechnung für den Bauherrn abschließenden Charakter hat, kann es sich um eine Schlussrechnung handeln. Geringfügige Restleistungen stehen dem nicht entgegen. Es genügt, wenn sich aus der Rechnung ergibt, dass alle Bauleistungen abgerechnet werden sollen (OLG Koblenz, Beschluss vom 11.05.2017 – 4 U 1307/16 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 24.07.2019 – VII ZR 134/17).
Ohne Vertrag kein Architektenhonorar
Planer erbringen zur Erlangung eines Vertrages häufig Akquisitionshandlungen. Es gibt keine Regel, ab welchen Leistungsphasen nicht mehr von einer Akquisition ausgegangen werden kann. Selbst Leistungen der Leistungsphasen 3 und 4 können als Akquise-Tätigkeit unentgeltlich erbracht werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 17.04.2018 – 5 U 32/17 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 23 Januar 2019 – VII ZR 99/18).
Keine Haftung des Architekten für Fehler des Tragwerksplaners
Der Tragwerksplaner geht fehlgehend davon aus, dass zusätzliche mehrkostenauslösenden Maßnahmen erforderlich sind. Der Architekt ist für derartige Mehrkosten nur dann verantwortlich, wenn er statische Spezialkenntnisse hat, die über die des Tragwerksplaners hinausgehen. Dies ist regelmäßig nicht der Fall (OLG Frankfurt, Urteil vom 02.09.2016 – 11 U 109/11 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 09.01.2019 – VII ZR 250/16).
Produktvorgabe muss sachlich gerechtfertigt sein
In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf ein bestimmtes Produkt, eine besondere Herkunft oder ein bestimmtes Verfahren verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Anbieter begünstigt oder an andere Anbieter ausgeschlossen werden. Eine derartige Ausschreibung ist nur dann zulässig, wenn sie gerechtfertigt ist, etwa wenn im Interesse der Systemsicherheit und Funktion eine wesentliche Verringerung von Risikopotenzialen bewirkt wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 – Verg 66/18).
Kein Vertrag bei Änderung der Vertragstermine im Zuschlag schreiben
Die Vergabestelle liegt im Zuschlagsschreiben ausdrücklich neue Vertragstermine fest, nach dem sie aufgrund einer Verzögerung des Verfahrens eine Verlängerung der Bindefrist erfolgt ist. Darin liegt eine Ablehnung des Bieterangebotes mit dem Antrag auf Abschluss eines neuen Bauvertrages. Behält sich der Bieter die Annahme des Angebots nach Prüfung der neuen Termine vor, ist noch kein Vertrag zustande gekommen (OLG Naumburg, Beschluss vom 07.06.2019 – 7 U 69/18).
Kein Nachtrag bei schwierigem Baustoff
Der Bauherr beschreibt die Eigenschaften des einzusetzenden Baustoffs als Faserbeton. Dem Auftragnehmer ist in der Ausschreibung freigestellt, auch andere Zusatzstoffe zu verwenden, soweit die Funktion eingehalten wird. In diesem Falle kann der Bauunternehmer für die einzumischenden Stoffe keine zusätzliche Vergütung verlangen, auch wenn der Baustoff nicht standardmäßig verwendet wird und es sich bei dessen Einsatz um ein technisch neuwertiges Produkt handelt. Es genügt, wenn der Auftraggeber auf die Problematik des Baustoffs hingewiesen hat (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.03.2018 – 29 U 267/16 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 23.01.2019 – VII ZR 95/18).
Keine Mangelhaftung bei vertragsgemäßer Leistung
Feuchtigkeit dringt unter dem Anschluss der Sohlplatte ein. Der Bauunternehmer sollte die Abdichtung nach den anerkannten Regeln der Technik ausführen und ist dem nachgekommen. Die Durchfeuchtung ist auf eine von den Vorgaben abweichende Anschüttung des Außengeländes durch einen anderen Unternehmer zurückzuführen. Dafür ist der Unternehmer, der die Abdichtung vorgenommen hat, nicht verantwortlich (OLG Celle, Urteil vom 25.07.2017 – 6 U 5/17 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 08.05.2019 – VII ZR 107/17).
Rückforderung der Fertigstellungsrate wegen wesentlicher Mängel gegenüber dem Bauträger
Das Wohnungseigentum weist erhebliche Mängel auf. Dadurch können eine Abnahme und eine vollständige Fertigstellung nicht erfolgen. Der Erwerber hat daher einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Fertigstellungsrate nach § 817 S. 1 BGB (OLG Schleswig, Urteil vom 02.10.2019 – 12 U 10/18).
Sicherungshypothek nach Beginn der Bauarbeiten
Der Architekt kann für seine Honorare die Einräumung einer Sicherungshypothek am Grundstück des Bestellers verlangen. Voraussetzung ist allerdings die Aufnahme der Bautätigkeit (Landgericht Flensburg, Urteil vom 05.10.2018 – 2 U 38/18).
Ausschluss wegen früherer Schlechtleistung
Ein Bieter kann wegen Schlechtleistungen in einem früheren öffentlichen Auftrag eines anderen Auftraggebers ausgeschlossen werden, § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Dazu muss die Vergabestelle darlegen, dass der andere Bieter wegen der Schlechtleistung rechtmäßig gekündigt hat und Schadensersatz geltend machen konnte (VK Südbayern, Beschluss vom 08.04.2019 – Z3 – 3 – 3194 – 1 – 46 – 12/18).
Vergabestelle kann Preisobergrenze vorgeben
Die Vergabestelle ist befugt, den Bietern Preisobergrenzen vorzugeben. Deren Angemessenheit ist für die Rechtmäßigkeit nicht relevant (VK Rheinland, Beschluss vom 26.03.2019 – VK 5/19).
Kein Nachtrag ohne Hinweis bei falscher Ausschreibung
Wenn die Vergabe- und Vertragsunterlagen offensichtlich falsch sind trifft den Auftragnehmer eine Prüfungs- und Hinweispflicht. Unterlässt der Auftragnehmer in einem solchen Fall den gebotenen Hinweis ist er gehindert, Zusatzanforderungen als Nachtrag zu stellen (OLG Celle, Urteil vom 02.10.2019 – 14 U 171/18).
Unverhältnismäßige Komplettsanierung bei fehlender Nutzungseinschränkung
Die Ausführung einer Asphaltdeckschicht entspricht nicht dem Vertrag und ist dadurch mangelhaft. Der Unternehmer kann die Mangelbeseitigung verweigern, wenn der Mangel die Nutzbarkeit nicht beeinträchtigt. Dann besteht nur ein Minderungsanspruch des Bauherrn (OLG Celle, Urteil vom 13.12.2018 – 5 U 194/14 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 26.06.2019 – VII ZR 13/19).
Freiberuflicher Architekt erhält nur die vereinbarte Vergütung
Die Tätigkeit eines freiberuflichen Architekten als Projektleiter kann als Dienst- oder Werkvertrag qualifiziert werden. Es kommt darauf an, ob der Projektleiter lediglich Arbeitsleistungen zu bewirken hat oder ob er auch Arbeitsergebnisse als Arbeitserfolg schuldet. Ist die Leistung nicht genau beschrieben und ist der Vertrag auf einer laufenden Tätigkeit angelegt, handelt es sich um einen Dienstvertrag. Dann ist die vertraglich vereinbarte Vergütung maßgeblich. Eine übliche Vergütung kann in diesem Falle nicht verlangt werden (OLG Stuttgart, Urteil vom 06.11.2018 – 10 U 5/18 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen BGH, Beschluss vom 26.06.2019 – 7 ZR 247/18).
Planer muss Lage von Leitungen überprüfen
Der mit den Leistungsphasen 1-4 beauftragte Architekt muss überprüfen, ob auf dem Baugrundstück Leitungen vorhanden sind, die zurückgebaut werden müssen. Ist dem Bauherrn bekannt, dass Leitungen vorhanden sind und hat er dies nicht dokumentiert und offengelegt, kann dies die Haftung des Architekten wegen weitüberwiegenden Mitverschuldens des Bauherrn ausschließen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.09.2019 – 29 U 93/18).
Vergabestelle muss elektronische Versendung beweisen
Eine Vergabe ist unwirksam wenn die Vergabestelle gegen die Informations- und Wartepflicht nach § 134 GWG verstoßen hat und der Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt wird. Ein Vertrag darf erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information abgeschlossen werden. Die Frist verkürzt sich bei Versendung auf elektronischem Weg oder per Fax auf 10 Kalendertage. Für die erfolgreiche Versendung trägt die Vergabestelle die Darlegungs- und Beweislast (LG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2019 – Verg 54/18).
Neues Vergabeverfahren bei erheblicher Mengenmehrung
Während der Vertragslaufzeit zeigt sich, dass es wesentliche Änderungen gibt. Eine wesentliche Änderung liegt dann vor, wenn sich der Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen Auftrag unterscheidet. Dies gilt auch bei einem Rahmenvertrag. Werden die dort vorgegebenen Mengen deutlich überschritten dürfen nur im Rahmen des nach § 132 GWB zulässigen weitere Einzelabrufe erfolgen. Ansonsten ist ein neues Vergabeverfahren durchzuführen (VK Bund, Beschluss vom 29.07.2019 – VK 2 – 48/19).