Newsletter Bau- und Vergaberecht 37/2022
14.11.2022 | Bau- und Vergaberecht
17.10.2022 37/2022
Kein Nachtrag bei Übernahme des Bestandsrisikos:
In einem Bauvertrag über Sanierungsarbeiten wird in einer Nachtragsvereinbarung geregelt, dass mit der dort vereinbarten Vergütung alle Ansprüche aufgrund von Bestandsrisiken abgegolten sind. In diesem Fall kann der Unternehmer für eine erforderliche Abdichtung des Gebäudes keine zusätzliche Vergütung verlangen, wenn das Gebäude bei seiner Errichtung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2020 – 5 U 1/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 18.05.2022 – VII ZR 61/20).
Neuerrichtung unverhältnismäßig bei Funktionstauglichkeit:
Die vereinbarte Beschaffenheit wird durch die Errichtung einer Fassade nicht erreicht. Der Auftragnehmer kann die Mangelbeseitigung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten durchführbar ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn bei dem Bauherrn nur ein objektiv geringes Interesse an der mangelfreien Leistung zusteht und der Auftragnehmer einen ganz erheblichen Aufwand erbringen muss. Wenn die Fassade uneingeschränkt funktionstauglich ist und die Mangelbeseitigung mit dem vollständigen Abriss und einer Neuerrichtung erforderlich wäre, besteht kein nachvollziehbares Interesse des Bauherrn an einer mangelfreien Vertragsleistung (OLG Koblenz, Urteil vom 24.06.2021 – 2 U 391/19 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 10.08.2022 – VII ZR 632/21).
Bauen ohne Genehmigung muss nicht mangelhaft sein:
Der Auftragnehmer muss vor Vertragsschluss auf Umstände, die dem Bauherrn bekannt sind, nicht besonders hinweisen. Die Parteien wussten, dass das Bauwerk unter Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorgaben errichtet wird. In diesem Fall scheiden Mängelansprüche gegen den Unternehmer aus, da der Bauherr das Risiko bewusst übernommen hat (OLG Dresden, Urteil vom 07.12.2021 – 6 U 171/21 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 10.08.2022 – VII ZR 1/22).
Besondere Überwachungspflicht bei Drainagearbeiten:
Wenn Bauleistungen erbracht werden, die besondere Gefahrenquellen mit sich bringen, trifft den Architekten eine erhöhte Überwachungspflicht. Von den konkreten Anforderungen der Baumaßnahme und den jeweiligen Umständen hängt Umfang und Intensität der Überwachungspflichten ab. Wird nach Plänen Dritter gebaut, muss der Architekt die geplanten Drainagearbeiten und Abdichtungsarbeiten an den Außenwänden besonders intensiv überwachen (Landgericht Marburg, Urteil vom 07.02.2022 – 2 O 7/21).
Ungewöhnlich niedriges Angebot:
Ergibt sich für die Vergabestellen der Verdacht, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, muss sie unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte der Ausschreibung und der Verdingungsunterlagen prüfen, ob dies der Fall ist. Dabei kommt es nicht auf die Nichtanwendbarkeit der in nationalen Rechtsvorschriften hierfür vorgesehenen Kriterien und die Zahl der eingereichten Angebote an (EuGH, Urteil vom 15.09.2022 – Rs. C – 669/20).
Keine Dringlichkeit wegen langsamen Vergabeverfahren:
In einem Vergabeverfahren treten Verzögerungen auf. Dies stellt keinen Fall einer akuten Gefahrensituation oder einem Fall höherer Gewalt dar. Sie sind der Vergabestelle zuzurechnen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt. Die Abläufe sind der Vergabestelle zuzurechnen, die Vergabestellen den Ablauf des Vergabeverfahrens alleine bestimmen (VK Bund, Beschluss vom 20.07.2022 – VK 2 60/22).