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Newsletter Bau- und Vergaberecht 44/2024

19.12.2024 | Bau- und Vergaberecht

Textform bei Anordnung nach § 1 Abs. 3 VOB/B erforderlich:

Die Bauherrin ordnet an, dass ein Fahrstuhlschacht aus Beton gegossen werden soll und nicht aus Betonfertigteilelementen erstellt wird wie vertraglich vereinbart. Nach § 1 Abs. 3 VOB/B ist ein Bauherr befugt, derartige Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen. Allerdings endet das Anordnungsrecht dort, wo die Ausführung für den Auftragnehmer nicht mehr zumutbar ist oder sein Betrieb darauf nicht eingerichtet ist. Die Anordnung der geänderten Leistung hat in Textform zu erfolgen (OLG Schleswig, Beschluss vom 12.12.2022 – 1 U 54/22 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 21.08.2024 – VII ZR 5/23).

Bevollmächtigung infolge Eheschließung:

Ein Ehegatte richtet in „Ich-Form“ ein Nacherfüllungsverlangen an den Auftragnehmer, wobei beide Ehegatten Bauherren des Auftragnehmers sind. Der Ehegatte vertritt den anderen Ehegatten dann, wenn in der Grußformel die Namen beider Ehegatten genannt sind (OLG Oldenburg, Beschluss vom 07.12.2023 – 12 U 198/22).

Anforderungen an den Entlastungsbeweis bei Schaden in Unternehmersphäre:

Die Parteien schließen einen Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeuges. Ein solcher Vertrag ist als Werkvertrag zu qualifizieren und beinhaltet die Nebenpflicht des Auftragnehmers, das Fahrzeug vor Beschädigungen während des Waschvorgangs zu bewahren. Es handelt sich um Vertragspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses, wenn der Auftragnehmer die Verkehrssicherungspflicht erbringt. Diese Schutzpflicht des Unternehmers geht nicht weiter als die werkvertragliche Schutzpflicht. Schafft der Unternehmer eine Gefahrenlage, ist er grundsätzlich dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die Beschädigung des Fahrzeugs zu verhindern. Den Umstand, dass der Unternehmer eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat, muss der Besteller darlegen und beweisen. Bei der Verletzung einer Schutzpflicht finden diese Grundsätze ebenfalls Anwendung, soweit es ohne besondere Umstände nicht genügt, dass der Besteller nachweist, dass ihm im Zusammenhang mit der Durchführung der Leistungen ein Schaden entstanden ist. Nur wenn die Ursachen allein im Obhuts- und Gefahrenbereich des Unternehmers liegen, hat dieser sich hinsichtlich seines Verschuldens nicht nur zu entlasten, sondern auch darzulegen und zu beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft (BGH, Urteil vom 21.11.2024 – VII ZR 39/24).

Kein Vertrauenstatbestand durch Eignungsfeststellung:

Ein Bieter in einem Vergabeverfahren ist in jeder Phase auszuschließen, wenn ihm die Eignung fehlt. Wenn die Vergabestelle die Eignung feststellt, kann der Bieter nachträglich Schadensersatz geltend machen, aber nicht darauf vertrauen, dass er nicht ausgeschlossen wird (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.11.2024 – 1 VK 67/24).

Ordnungsgemäße Kostenschätzung und Anforderungen im Vergabeverfahren:

Die Vergabestelle kann auch dann, wenn kein gesetzlich normierter Aufhebungsgrund vorliegt, das Vergabeverfahren aufheben. Durch die Einleitung des Vergabeverfahrens ist die Vergabestelle nicht zur Zuschlagserteilung verpflichtet. Nur wenn die Aufhebungsentscheidung willkürlich ist oder die Aufhebung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nur zu dem Zweck erfolgt, die Bieter zu diskriminieren, kann ein Anspruch auf Fortsetzung des Vergabeverfahrens bestehen. Die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist dann willkürlich, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass sachfremde Erwägungen der Entscheidung zugrunde liegen. Wenn eine offensichtlich einschlägige Norm in eklatanter Weise nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in eklatanter Weise missdeutet wird, ist Willkür anzunehmen. Demgegenüber stellt die fehlende Wirtschaftlichkeit ein grundsätzlich anerkennenswertes Motiv dar. Übersteigt ein Angebot den ordnungsgemäß ermittelten Auftragswert deutlich, stellt dies einen schwerwiegenden Grund dar, der die Vergabestelle zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigt. Um dies festzustellen, bedarf es einer aktuellen und ordnungsgemäßen Ermittlung des Auftragswerts. Bei Kostenschätzungen handelt es sich um Prognoseentscheidungen, die mit angemessener Sorgfalt durchgeführt werden müssen. Die Preise müssen bei der ordnungsgemäßen Ermittlung der Kostenschätzung nicht den tatsächlichen Marktpreisen entsprechen. Die Methodik der Kostenermittlung muss grundsätzlich geeignet sein, die Marktpreise im Voraus zu schätzen (VK Nordbayern, Beschluss vom 08.12.2023 – RMF-SG21-3194-8-25).

 

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